«Arbeit und Kapital nicht gegeneinander ausspielen»

HEV-Präsident Armin Hartmann tritt in Inseraten gegen die 99%-Initiative der Juso an, über die das Schweizer Stimmvolk am 26. September befindet. Sie hätte negative Auswirkungen für einen Grossteil der Bevölkerung, sagt der SVP-Kantonsrat aus Schlierbach.

Veröffentlicht am

Armin Hartmann, was halten Sie von der 99%-Initiative der Juso?

Sie hinterlässt ein ungutes Gefühl. Als klassische Umverteilungsinitiative spricht sie einen latenten Neid gegenüber «Reichen» an. Und doch ist sie so schwammig formuliert, dass nicht ersichtlich ist, wer genau davon betroffen sein wird. Man könnte sagen: Die Initiative kommt im Schafspelz daher, und es ist unsere Aufgabe, den Wolf darin aufzuzeigen.

Ist es denn nicht legitim, gegen die zunehmende ungleiche Verteilung von Vermögen zu kämpfen?

Es ist auch mir wichtig, dass alle Bevölkerungsschichten von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren können. Dies gelingt uns in der Schweiz sehr gut. Die von linken Kreisen immer wieder postulierte «Kaste der Superreichen» gibt es bei uns nicht. Menschen mit hohem Vermögen leisten bei uns ihren Beitrag durch höhere Steuersätze. Und viele von ihnen tätigen grosszügige Spenden, ohne die zahlreiche öffentliche und wohltätige Einrichtungen nicht existieren könnten. Von beidem profitiert die breite Bevölkerung.

Aber eine Schere zwischen Arm und Reich gibt es doch. Ihre Parteikollegin Magdalena Martullo-Blocher zum Beispiel hat ihr Vermögen in der Coronakrise stark vermehrt, während der eine oder andere Kleinunternehmer vor den Trümmern seiner Existenz steht.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Vermögen von Grossunternehmern stark schwanken. Schwächelt die Börse, reduziert sich deren Vermögen. Nur wird darüber nicht berichtet. Ausserdem sind es genau diese Unternehmerinnen und Unternehmer, die zahlreiche Arbeitsplätze schaffen und damit die Entwicklung der Schweiz vorantreiben. Auch davon profitieren alle. Die Konzentration auf einige wenige Namen im Abstimmungskampf zeigt doch auch, dass die Initiative nur Feindbilder bewirtschaftet statt eine echte Verbesserung vorzuschlagen.

Die Initiative hat es nicht nur auf die Vermögen abgesehen, sondern auch auf die Kapitaleinkommen.

Wer Kapital in eine Firma einschiesst, hat im Erfolgsfall Anrecht auf eine Entschädigung. Es handelt sich also in der Regel um ein Einkommen, das risikobehaftet ist. Ohne diese Entschädigung würde niemand investieren und ohne Investitionen gibt es keine Arbeitsplätze und keine wirtschaftliche Entwicklung. Für die Investoren ist dabei immer der Ertrag nach Abzug der Steuern relevant. Je höher die Besteuerung dieser Erfolgsentschädigung, sprich Kapitaleinkommen, desto unattraktiver sind Investitionen. Es ist deshalb klar, dass die 99%-Initiative zu einem Rückgang der Investitionen führt und damit der wirtschaftlichen Entwicklung schadet.

Die Initianten behaupten, dass eine klare Mehrheit der Bevölkerung von der Vorlage profitieren würde. Wie sehen Sie das?

Das Gegenteil ist der Fall. Die Initianten wollen Kapitalgewinne ab 100 000 Franken zu 50 Prozent höher besteuern. Davon wären auch Arbeitnehmende betroffen, die sich bei Erreichen des Pensionsalters das angesparte BVG-Geld und die Säule 3a als Kapital auszahlen lassen. Genauso wie Hauseigentümer, die ihre Immobilie verkaufen. Sie können den Folgen der Initiative nicht einfach ausweichen. Das Grosskapital hingegen, das die Initianten im Blickfeld haben, ist mobil. Dieses kann über Nacht verlegt werden und am Schluss geht die Schweiz ganz leer aus. Deshalb bin ich überzeugt, dass die 99%-Initiative vor allem den Mittelstand trifft.

Die Jungsozialisten begehen mit ihrer Initiative aber auch einen steuerpolitischen Tabubruch, nicht?

Sie überschreiten zumindest eine rote Linie. Die erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre ist meines Erachtens auch auf eine austarierte Weiterentwicklung der Steuersysteme zurückzuführen. Die breite Unterstützung dieser Vorlagen durch die Stimmbevölkerung zeigt, dass diese Massnahmen von einer Mehrheit als gerecht empfunden werden. Wenn nun aber gewisse Einkommenskategorien – plötzlich und willkürlich – höher zu versteuern sind, wird eine Diskussion salonfähig, die schwerwiegende Folgen haben kann. Wenn eine Besteuerung von Kapitaleinkommen zu 150 Prozent legitim sein soll, können es morgen schon 160, 180 oder 195 Prozent sein.

Dem müsste das Stimmvolk aber immer zuerst zustimmen.

Die Initiative versucht, das Kapital zum Sündenbock abzustempeln. Das sind antiquierte klassenkämpferische Parolen, wie sie in der Schweiz nicht verfangen dürfen. In der Schweiz partizipieren, nicht zuletzt über die Sozialversicherungen, breite Bevölkerungsteile am durch Kapital mitverursachten Wohlstand. Arbeit und Kapital gegeneinander auszuspielen, ist in der Schweiz politisch deshalb nicht opportun.

Modal zum Teilen dieser Seite
  1. Sie befinden sich hier: Home - KGL
  2. Gut zu wissen
  3. «Arbeit und Kapital nicht gegeneinander ausspielen»