«Bist du aussen ein Hartmann – innen aber ein Weichmann?»

Als Chef der Luzerner Lehrerschaft und Kopf der kantonalen Kulturförderung stellte sich heuer Armin Hartmann zur Verfügung, auf dem «heissen Stuhl» Platz zu nehmen. Wie gewohnt versuchte Gaudenz Zemp als Fragesteller, seinen Gesprächspartner mit teils beissendem Humor aufs Glatteis zu führen. Doch der schnell denkende Bildungsdirektor reagierte stets souverän und bisweilen humorvoll.

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Zu Beginn liess Gaudenz Zemp wissen, dass die Fragen nicht immer zu 100 Prozent politisch korrekt seien. «Aber das gehört zu diesem Format, das auch satirisch sein soll.» Und merkte an, dass das, was er frage, nicht immer seine Meinung sei. «Ich bin ja als Moderator hier. Das Modul erfüllt hoffentlich das elfte Gebot, das da lautet: ‹Du sollst nicht langweilen›.»

Über den Regierungsrat auf dem heissen Stuhl sagte Gaudenz Zemp: «Armin Hartmann ist 1977 in Schlierbach geboren und dort aufgewachsen.» Und wandte sich ans Publikum: «Hand aufs Herz: Wer weiss denn schon, wo Schlierbach liegt?» Er erntete viele Lacher, aber auch ein paar Handzeichen. Das Heubeerimoos, fuhr er fort, sei für Armin Hartmann der schönste Teil Schlierbachs und der schönste Ort im Kanton Luzern.

Als SVP-Mitglied sass Armin Hartmann im Gemeinderat von Schlierbach und 16 Jahre im Kantonsrat.

Armin Hartmann, du spielst gerne Schach. Und wer dich kennt, weiss, dass du in der Politik auch immer strategisch vorgehst. Mit welcher Schachfigur identifizierst du dich am ehesten im Luzerner Polit-Schachspiel?
Meine Lieblingsfigur ist der Läufer, auch wenn er den Nachteil hat, dass er sich nur auf einer Farbe diagonal bewegen kann. Aber das stärkste Instrument im Schachspiel ist das Läuferpaar, das beide Farben abdeckt. Dieses Rasiermesser lässt sich gut einsetzen bei taktischen Manövern. Gerade auch im Angriff. Die Figur würde ich allerdings nicht gleichsetzen mit meiner restlichen Sportwelt.

Dein liebstes musikalisches Meisterwerk ist Richard Wagners Oper Walküre. Ein grosses Drama. In deinen Ferien gehst du am liebsten auf einen Roadtrip, um die monumentalen Landschaften der USA anzuschauen. Zur Zeit als Student wolltest du in die Forschung gehen, um die grossen Probleme der Menschheit zu lösen im Bereich der Wirtschaftstheorie. Du hättest das Zeug für die grosse Weltbühne, doch nun bist in den Niederungen der Luzerner Volksschule tätig. Bist du da nicht unterfordert?
Nein, überhaupt nicht. Bildung ist eine ganz grosse Herausforderung, die wir haben. Damit gestalten wir die Zukunft. Wir müssen unser Bestes geben, damit wir auch in den kommenden Jahrzehnten noch sagen können, Luzern und die Schweiz seien attraktive Standorte.

Du bewältigst ein Mammutprogramm. Für gewöhnlich bist du morgens um fünf Uhr im Büro und das Licht löschst du am Abend um 22 Uhr. Wir schätzen, dass das etwa einem 200-Prozent-Pensum entspricht. Du bist der Chef von 6300 Lehrpersonen. Im Durchschnitt arbeitet eine Lehrperson im Kanton Luzern 63 Prozent, das ergibt eine wöchentliche Präsenzzeit von 14 Stunden. In etwa das, was du an einem Tag leistet. Im Vergleich zum Schulsystem, das von Kleinstpensen lebt, bist du ein Workaholic. Fühlst du dich nicht im falschen Film?
Nicht im Geringsten. Mit der Regierung braucht man kein Erbarmen zu haben. Im Sommer habe ich vier Wochen Ferien machen und mich dabei gut erholen können, das konnte ich in meinem Leben davor nie. Ausserhalb der Schulferienzeit ist es sehr intensiv, auch am Wochenende. Da bin ich als Kulturdirektor immer unterwegs, aber das mache ich mit Freude und Leidenschaft. Ich wollte das und fühle mich am richtigen Ort.

Du bist ein Zahlenmensch und hast  Ziffern gerne. Zum Beispiel eine 1 oder eine 4 oder auch mal eine 6. Ist es richtig, dass Du Schulnoten magst?
Schulnoten sind grundsätzlich ein bewährtes Instrument. Es enthält Information, dennoch hat es seine Grenzen. Das müssen wir miteinander besprechen. Die Regierung hat das in ihrem Planungsbericht festgehalten. Aus der Wirtschaft kommen immer wieder Anliegen, was den Informationsgehalt der Zeugnisse mit Schulnoten betrifft. Wir haben eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Sie beschäftigt sich intensiv damit. Das Ergebnis wird in die politische Debatte eingespeist und wir sind gespannt auf die Reaktionen, die wir bekommen werden.

Andere schaffen schon längst Fakten. Die Stadt Luzern schafft während der Semester die Schulnoten ab. Deine Partei ist im Rahmen der nationalen Wahlen mit dem Inserate-Slogan «Für Bewährtes einstehen! Schulnoten müssen bleiben!» auf Wählerfang gegangen. Bist du als SVPler nicht in der Pflicht, für Bewährtes einzustehen?
Die Regierung gab das Versprechen ab, dass sie das anschauen will. Und ich setze das entsprechend um. Die grosse Revolution wird es nicht geben, auch wenn viel darüber geredet wird, was alles passieren werde. Dass man auf Noten während des Semesters verzichten kann, ist schon seit zehn Jahren Tatsache. Einige Gemeinden haben das schon länger eingeführt. Die Stadt Luzern kann als grösster Player  andere Gemeinden mitziehen. Deshalb ist jetzt die grosse Debatte aufgekommen. Aber dieser Debatte stelle ich mich. Dass es zwischendurch eine Differenz zwischen Regierung und eigener Partei geben kann, das wissen alle und sie können damit umgehen.

Früher ist der Schulmeister eine Respektsperson gewesen und hat eine Klasse geführt und erzogen. Heute verstehen sich die Lehrpersonen als Coaches und lassen die Kinder sich selber erziehen. Deine Partei sagt dem Kuschelpädagogik. Viele hatten deshalb die Erwartung, dass mit dem Hartmann ein SVPler kommt, der wieder für eine klare Ordnung und Strenge sorgt an der Schule. Bist du ein Schaf im Wolfspelz? Aussen ein harter SVPler, innen ein weicher Kuschelpädagoge? Oder noch zugespitzter: aussen ein Hartmann, aber innen ein Weichmann?
Die Gesellschaft hat sich verändert und mit ihr die Schule. Das musste sie auch, damit sie die Probleme, denen unsere Kinder und Lernenden heutzutage ausgesetzt sind, lösen kann. Tatsächlich gab es in der Bildungspolitik in den letzten Jahren auch Entwicklungen, die wir wieder korrigieren müssen. Man redet immer von verhaltensauffälligen Kindern. Tatsache ist, dass wir eines von hundert Kindern mit Sonderstatus haben im integrierten Schulbetrieb, also eines in jeder fünften Klasse. Wenn man mit Lehrpersonen redet, werden 20 Prozent der Kinder und Lernenden als schwierig beurteilt. Diese sind zum Teil einfach unerzogen. Dort müssen wir Gegenmassnahmen treffen. Für diese Kinder müssen wir eine Lösung erarbeiten. Schülerinnen und Schüler mit Sonderschul status hingegen sind kein so grosses Problem, wie es gerne dargestellt wird.

Das wohl grösste Problem der Luzerner KMU ist der Fachkräftemangel. Beim Weg über die Lehre steigt man mit 16 aktiv in den Arbeitsmarkt ein. Der Weg über die Uni beinhaltet sechs Jahre Vollzeit-Gymnasium und danach ein Vollzeit-Studium. Im Durchschnitt sind die Studierenden beim Abschluss des Master-Studiums 27. Im Kanton Luzern findet gefühlt keine Priorisierung des Weges über die Berufslehre statt. Können wir hier  etwas von dir erwarten?
Wir analysieren die Übertrittsquoten ans Gymnasium genau und geben eine maximale Quote von 20 Prozent vor. Diese halten wir nach wie vor ein. Kürzlich sind die neuesten Zahlen eingetroffen. Die Gymi-Quote liegt aktuell bei 19 Prozent, 70 Prozent der Lernenden wählen die duale Berufsbildung. Zahlenmässig sind wir also auf Kurs. Wichtig ist, dass wir der Berufsbildung eine positive Positionierung und Wertschätzung geben, auch der Höheren Berufsbildung. Ich setze mich dafür ein, dass die Quote bei mindestens 70 Prozent bleibt. Die Einführung des Professional Bachelor und Professional Master braucht es unbedingt.

Bei der Uni Luzern bist du als Präsident des Universitätsrats der strategische Chef. Gründungsrektor Walter Kirchschläger sagte einst, mit 900 Studierenden sei die angestrebte Grösse erreicht. Nachfolger Paul Richli sprach von 2'000 Studierenden. Mit Rektor Bruno Staffelbach ist die Limite auf 3'000 erhöht worden. Ende 2023 waren es 3'512 Studierenden. Zur Wachstumssteigerung sind immer wieder neue Fakultäten gegründet worden. Nun sagt der neue Rektor Martin Hartmann, die Uni sei nun endgültig gebaut und neue Fakultäten werden keine mehr angestrebt. Muss man nicht etwas blauäugig sein, um das zu glauben?
Es braucht jetzt eine Phase der Konsolidierung, da hat Martin Hartmann recht. Wir werden noch ein paar Wachstumsschmerzen haben. Die Universität wird um 600 Studierende wachsen mit den zwei neuen Fakultäten, die sehr gut funktionieren und beliebt sind. Viele neue Studierende haben sich für sie angemeldet. Das ist eine Stärkung des Platzes Luzern, weil die neuen Fakultäten kostenmässig gut betrieben werden können. Es sind Studierende, die im Arbeitsmarkt sehr gesucht sind. Deshalb ist es auch eine Stärkung der Wirtschaft. Die Uni ist wichtig für unseren Kanton, Luzern und die Zentralschweiz.

Zu deiner Rolle als Kulturdirektor: Das Luzerner Theater hat einen Eigenfinanzierungsgrad von stolzen 19 Prozent, die restlichen Mittel – über 20 Millionen Franken jährlich – kommen von der öffentlichen Hand. Damit braucht das Theater den grössten Teil des Kultur-Budgets alleine auf. Du finanzierst fast zwei Drittel der Betriebskosten, den kleineren Teil die Stadt Luzern. Dabei handelt es sich doch nicht um ein kantonales, sondern um ein typisches Stadttheater. Wie oft fahren deine Nachbarn in Schlierbach ins Theater nach Luzern? Zahlen sie über die Steuern nicht an etwas, das sie gar nicht brauchen?
Luzern ist das Zentrum der Zentralschweiz. Wenn man sich überlegt, was ein solches Zentrum für ein Kulturangebot haben soll, kommt man neben dem KKL schnell auf ein Theater, ein Musik- und Tanztheater. Wenn ich ins Stadttheater gehe, sehe ich fast immer jemanden aus Schlierbach.

Dein liebstes Theaterstück ist «Der Besuch der alten Dame» von Friedrich Dürrenmatt. Es zeigt die Käuflichkeit der Gesellschaft. Auch du versuchst, die Bevölkerung zu kaufen, indem du jedes Ticket mit 350 Franken subventionierst. Wer also zu zweit ins Theater geht, erhält von dir und SP-Stadtpräsident Beat Züsli 700 Fr. geschenkt. Trotzdem ist das Haus alles andere als voll. Woran liegt's?
Wir haben eine sehr gute Entwicklung beim Luzerner Theater, was die Anzahl besetzter Plätze angeht. Wir wollen, dass die Entwicklung noch besser wird. Dafür braucht es ein neues Theater, das besser bespielt werden kann und attraktiver wird. Unsere Forderung, die wir an dieses Projekt stellen, ist, dass der Kostendeckungsgrad deutlich anwächst, dass wir bei den Betriebsbeiträgen ein maximales Wachstum von zehn Prozent haben.

Obwohl das Haus schon jetzt nicht gefüllt ist, will man die Kapazitäten verdoppeln. Woher zauberst du all diese Theaterfans aus dem Hut?
Die Frage zeigt mir, dass wir noch viel informieren müssen. Die Anzahl Plät-ze bleibt nämlich unverändert. Du hast dich auf den ersten Entwurf bezogen. Aber das künftige Angebot bleibt in etwa gleich wie jetzt. Mit dem aktuellen Theater sind wir auf einem guten Weg, das neue werden wir komplett füllen können.

Der geplante Standort des neuen Theaters liegt mitten in einer rot-grün regierten Stadt, die keinen Verkehr mehr will. Für jemanden aus Schlierbach scheitert der Theaterbesuch unter der Woche schon am Weg. Wenn das Theater um 22 Uhr vorbei ist, hätte man mit dem Auto 24 Minuten für den Rückweg. Aber die rot-grüne Stadt schafft gezielt Parkplätze ab und erwartet, dass Theaterbesucher, auch aus Schlierbach, mit dem ÖV kommen. Bei Google Maps ergibt eine entsprechende Eingabe sieben Stunden und sieben Minuten für den Rückweg. Mit dem Velo wäre man nach Mitternacht in Schlierbach. Wirst du als Regierungsrat vom linkslastigen, städtischen Kulturkuchen nicht über den Tisch gezogen?
Ich empfehle einen Besuch am Wochenende, da geht es deutlich besser. Ohne Scherz: In der Verkehrspolitik gibt es eine Differenz zwischen der Regierung und der Stadt. Wir sagen ihr immer, es brauche ein gutes Parkplatzangebot. Fürs Gewerbe und Leute, die ausserhalb der Hauptachsen zu Hause sind. Die Alternative ist, mit dem Auto nach Sursee zu fahren und dann mit dem Zug in die Stadt.

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