Ich darf hier als Präsident eines starken Schweizerischen Gewerbeverbandes sgv auftreten. Eines sgv mit rund 230 Mitgliedorganisationen, der rund 600’000 Unternehmen vertritt. Das sind 99,8 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz. Eine grosse Zahl. Der Wert der KMU entspricht jedoch nicht nur der Masse, die sie ausmachen.
KMU schöpfen viel Wert! Sie übernehmen vielfältige Funktionen. Sie schaffen zwei Drittel aller Arbeitsplätze in der Schweiz. Der sgv als ihr Vertreter ist damit mit Abstand der grösste Sozialpartner auf der Arbeitgeber-Seite. Kaum ein Engagement ist für die Wirtschaft und die Gesellschaft wichtiger als die Berufsbildung. KMU stellen etwas über 68 Prozent der Lern- und Ausbildungsplätze in der Schweiz und sie engagieren sich auch für die Integration von benachteiligten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
KMU-Mär der Binnenorientierung
KMU sind stark verankert in der Gemeinde und leisten ihren Beitrag, sei das in den lokalen Institutionen wie Feuerwehr, Sozialfürsorge, Vereinen, Gewerbeausstellungen oder in der Gemeindepolitik. Und KMU schaffen auch Chancen. 46 Prozent der Angestellten sind Frauen. 32 Prozent in Leitungspositionen, mit steigender Tendenz. Das Durchschnittsalter der Angestellten in KMU beträgt 45 Jahre und ist damit höher als in Konzernen. Mit anderen Worten haben Menschen mit 50plus in KMU Beschäftigungschancen.
Ich habe es eingangs gesagt: Ich darf heute hier als Präsident eines starken sgv auftreten. Nicht nur wegen seiner zentralen Rolle für die Schweizer Wirtschaft, sondern nun auch als Verband. Mit dem Amtsantritt von Urs Furrer zum neuen Direktor konnten die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft gestellt werden. Ich und der Vorstand sind überzeugt, dass Urs Furrer zusammen mit den bisherigen und neuen Mitgliedern der Geschäftsstelle ein starkes Team bilden wird. [...]
Lassen Sie mich mit der Mär der Binnenorientierung der KMU aufräumen. In einer umfassenden Umfrage haben die befragten KMU zu Protokoll gegeben, dass ein Drittel mehr als 50 Prozent des Umsatzes im Export erwirtschaftet. Insgesamt beträgt der Exportanteil 45 Prozent und der Importanteil 60 Prozent. Mit anderen Worten haben die KMU in unserer offenen Volkswirtschaft einen hohen Anteil an internationaler Verflechtung. Deshalb ist es für die KMU auch so wichtig, dass sie weiterhin den Zugang zum europäischen Markt erhalten können.
KMU schaffen auch ganz konkret Wert oder genauer Wertschöpfung. Ihre Wertschöpfung beträgt 60 Prozent des Brutto-Inlandproduktes und gemäss Bundesamt für Statistik sind KMU bis 50 Mitarbeitende die wachstumsstärkste Betriebsgruppe, stärker als Konzerne mit mehr als 250 Mitarbeitenden. KMU schaffen viel Wert und der sgv kämpft für diesen Wert in der Politik.
70 Milliarden Regulierungskosten
Politik für KMU respektiert und verankert ihre Erfolgsfaktoren und nimmt davon Abstand, die Ergebnisse der Marktprozesse im Voraus zu definieren und im Nachhinein zu korrigieren. Politik für KMU bedeutet, die Unternehmerinnen und Unternehmer als Trägerinnen und Träger grosser Verantwortung anzusehen und ihnen Handlungsspielraum zuzugestehen. Sie muss die Leistungen der KMU respektieren und akzeptieren, dass diese Leistungen oft auch nur dynamisch zu verstehen sind.
Politik für KMU ist «Ordnungspolitik». Es handelt sich um eine auf die lange Frist ausgelegte Arbeitsaufteilung zwischen dem Staat und den Privaten. Einige Sachen sind besser in der Verantwortung des Staates, während andere ohne Staat auskommen, das heisst von Privaten in privater Initiative. In der Ordnungspolitik kommt im konkreten Fall immer die Eigenverantwortung der Menschen vor dem staatlichen Handeln. Diese Eigenverantwortung benötigt gute Rahmenbedingungen.
Was sind diese Rahmenbedingungen? Das heisst in erster Linie, weniger unnötige Regulierungskosten. Jede Regulierung verursacht in KMU Kosten, die sie belasten. Das werden mir sicher alle hier anwesenden Selbstständigerwerbenden bestätigen. Das sind Mittel, die nicht in die eigentliche wirtschaftliche Tätigkeit der Firma als Investitionen, Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen oder in die Markterweiterung fliessen. Im Umkehrschluss ist klar, dass wir die Wirtschaft insgesamt ankurbeln, wenn wir unnötige Regulierungskosten senken oder verhindern. Vergessen wir nicht, dass wir gemäss einer Studie der Universität St. Gallen zu den Regulierungskosten von einem immensen Betrag sprechen, nämlich von 10 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Das entspricht nach heutigem Stand über 70 Milliarden Franken. Im vergangenen Jahr konnte der sgv in diesem Kerngeschäft einen Teilerfolg erzielen. Mit der Einführung des Unternehmensentlastungsgesetzes ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gelungen. Doch wir bleiben weiterhin hartnäckig und werden überall wo nötig aktiv.
Ja zum Stromgesetz
Wenn Staat und Wirtschaft am gleichen Strang ziehen, wird Raum für Entwicklung frei. Ein aktuelles Beispiel ist der sogenannte Mantelerlass, über den wir am 9. Juni abstimmen werden. Die Vorlage deckt sich sehr gut mit den Positionen des sgv und der KMU. Wir befürworten den Ausbau der inländischen Stromproduktion, insbesondere der Wasserkraft und der Solarenergie. Für die gesamte Wirtschaft ist es essentiell, dass Engpässe vermieden werden, dass sich die Preise stabilisieren, und dass die Abhängigkeit von ausländischem Gas und Öl verringert wird. Die Beschleunigung der Verfahren und Verbesserung der Bedingungen für Kleinanlagen ist ganz im Sinne des Abbaus von unnötigen Regulierungskosten. Wir haben hier eine Vorlage mit Augenmass, die auf dezentrale und diversifizierte Strompro-duktion setzt. Es wird nicht scheuklappenmässig dem Schutz der Natur und Landschaft der Vorrang gegeben. Dieser wird aber auch nicht völlig ausser Acht gelassen, sondern es werden präzise Leitplanken gesetzt. Die Gewerbekammer, das Parlament des sgv, hat einstimmig die JA-Parole gefasst – und ich rufe Sie auf, diese Parole zu unterstützen.
Es erwarten uns noch weitere grosse Aufgaben und Abstimmungen in diesem Jahr. Eine Vorlage ist für den sgv besonders zentral: Sehr wahrscheinlich im November werden wir über sechs Projekte zum Nationalstrassenausbau, kurz STEP, abstimmen. Nach Absprache mit den anderen Dachverbänden der Wirtschaft und den involvierten Verbänden aus dem Strassen- und Bausektor übernimmt der sgv den nationalen Lead in der Kampagne. [...] STEP ist eine äusserst wichtige Vorlage für uns alle, aber insbesondere auch für die KMU. Staus verursachen Kosten in Milliardenhöhe und sind schlecht für die Umwelt. Ganz zu schweigen von dem schädlichen Umfahrungsverkehr in den autobahnnahen Ortschaften.
Es braucht noch viel Aufklärungsarbeit in unserer Kampagne und wir müssen die Mythen der Gegenseite entkräften. Dabei hilft uns die Terminologie der Vorlage nicht unbedingt. Wenn wir von Nationalstrassenausbau sprechen, dann impliziert das, dass wir neue Stassen bauen. Das stimmt nicht. Es handelt sich bei allen Projekten um eine Engpassbehebung.
Noch ein Mythos der Gegner
Ein weiterer Mythos der Gegner ist, dass der Strassenbau auf Kosten der Schiene und der Steuerzahlenden erfolgt. Richtig ist: Die Nationalstrassen und der Schienenverkehr werden aus verschiedenen Töpfen finanziert. Ausserdem ist die Finanzierung von STEP bereits durch die Abgaben der Strassenbenutzenden gesichert. Schiene und Strasse sind komplementär. Auch eingefleischte Autofahrer parkieren am Bahnhof und benutzen für die Weiterfahrt den Schienenverkehr. Im Gegensatz zu linksgrün spielen wir in unserer Kampagne die Strasse nicht gegen die Schiene aus.
Die Nationalstrassen sind ein wichtiges Puzzle-Teil im gesamten Verkehrsnetz der Schweiz. Stellen wir sicher, dass dieses Puzzle-Teil funktionsfähig bleibt. Stellen wir sicher, dass wir alle und die KMU mobil bleiben.