«Die Betriebe machen einen super Job»

Als Leiterin der Abteilung Betriebliche Bildung kennt Gaby Egli das Berufsbildungsumfeld im Kanton Luzern wie kaum eine zweite. Sie weiss, dass sich das, was Betriebe brauchen, nicht immer 1:1 mit dem deckt, wovon Jugendliche träumen – und umgekehrt. Dennoch präsentiert sich die Situation in Luzern sehr stabil. Die Luzerner KMU haben einen wesentlichen Anteil daran.

Bei Ihr laufen die Fäden zusammen: Gaby Egli, Leiterin der Abteilung Betriebliche Bildung des Kantons Luzern

Gaby Egli, im Kanton Luzern gibt es an die 4500 Lehrbetriebe – und mit allen davon haben Sie und ihre Abteilung in irgendeiner Weise zu tun. Wie muss man sich das vorstellen?

Gaby Egli: Ja, bei uns laufen zum Beispiel sämtliche Lehrverträge über den Tisch. Sie werden von uns geprüft und genehmigt. Und wir stehen für rechtliche Fragen oder sonstige Anliegen rund um die Berufsbildung zur Verfügung. Wir versuchen zu beraten, zu unterstützen – und Klarheit zu schaffen, wo es nötig ist.

Sie greifen auch ein, wenn irgendwo was nicht mit rechten Dingen zu und her geht. Wie häufig kommt das vor?

Kleinere Unstimmigkeiten kommen immer mal wieder vor. Grobe Verstösse sind bei uns im Kanton Luzern aber sehr selten. Das liegt nicht daran, dass wir unserer Kontrollpflicht nicht genügend nachkämen, sondern daran, dass die allermeisten Betriebe einfach einen super Job machen. Pro Jahr müssen wir vielleicht drei bis vier Mal eine Bewilligung zur Ausbildung entziehen, etwas öfter müssen wir das Gesuch eines Betriebs für eine Bildungsbewilligung ablehnen. Weil Auflagen nicht erfüllt oder Rahmenbedingungen nicht gegeben sind. Damit bewegen wir uns in einem absoluten Promille-Bereich.

Was für Ursachen kann es denn haben, dass ein Unternehmen keine Lernenden (mehr) ausbilden darf?

Es gibt unterschiedliche Gründe. Meistens hängt es aber damit zusammen, dass es klare nationale Vorgaben gibt, die erfüllt sein müssen. So ist zum Beispiel das Verhältnis zwischen der Anzahl Fachkräften im Betrieb und der Anzahl Lernenden in jedem Beruf geregelt. Eine Firma mit 5 Angestellten darf beispielsweise nicht 5 Lernende ausbilden. Da eine genügende Betreuung und Ausbildung nicht gewährleistet wäre.

Welche Vorteile in der Berufsbildung erkennen Sie im Kanton Luzern?

Wir haben den Vorteil, dass unser Kanton eine gute Grösse hat: Er ist nicht zu klein, aber auch nicht zu gross. Hier kennt man sich noch, die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen Lernorten, Verbänden und uns als kantonale Drehscheibe für die Berufsbildung funktioniert hervorragend. Jeder weiss, was zu tun ist – oder wo er sich im Zweifelsfall informieren oder helfen lassen kann. Vieles hat sich über Jahre gut eingespielt.

Wie präsentiert sich das Verhältnis zwischen grossen und kleinen Firmen in Sachen Ausbildungsplätze?

Hier zeigt sich Luzern als klarer KMU-Kanton. Knapp die Hälfte aller ausbildenden Betriebe im Kanton Luzern, bietet jeweils eine Lehrstelle an. Die andere Hälfte hat zwei oder mehr Lernende in ihren Reihen. Natürlich fallen grosse Arbeitgeber wie das Kantonsspital, die kantonale Verwaltung, die Migros Luzern, Schindler, Galliker, Maréchaux oder CKW da entsprechend stark ins Gewicht.

Es gibt also zirka 1500 Betriebe im Kanton, die nur eine einzige Lehrstelle anbieten. Ist das positiv oder negativ?

Beide Sichtweisen sind in Ordnung. Ich persönlich sehe es aber positiv. Aus meiner Sicht ist es viel besser, wenn ein kleiner Betrieb eine Lehrstelle anbietet, statt gar keine. Das System bleibt so sehr stabil. Vielleicht bietet ein Betrieb ganz bewusst nur eine Lehrstelle an, obwohl ein zweiter oder dritter Lernender im selben Betrieb verhältnismässig wenig Mehraufwand bedeuten würde. Hierfür müsste man vielleicht noch etwas mehr Bewusstsein schaffen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass in sehr kleinen Betrieben eben gar nicht mehr als eine Lehrstelle überhaupt zulässig ist.

Es ist viel besser, wenn ein kleiner Betrieb nur eine Lehrstelle anbietet, statt gar keine.
Gaby Egli

Welche Berufe sind bei jungen Luzernerinnen und Luzernern besonders beliebt?

Die Präferenzen unterscheiden sich nicht grundlegend von denen in anderen Kantonen. Kaufmännische Berufe sind ein Dauerbrenner, aber auch der Detailhandel ist sehr stark vertreten, ebenso Berufe im Sozial- und Gesundheitswesen. Bei den Männern ist auch der Elektroinstallateur oder der Logistiker hoch im Kurs – und die Landwirtschaft. Letzteres ist in Luzern wohl ausgeprägter als anderswo, da es in der Zentralschweiz verhältnismässig viele Landwirtschaftsbetriebe gibt, und dieser Berufsstand hier nach wie vor stark verwurzelt ist. Ganz grundsätzlich glaube ich, dass «Beliebtheit» als Begriff im Zusammenhang mit dem Lehrstellenangebot aber etwas heikel ist.

Wie meinen Sie das?

Die Top-10 oder Top-20 der «beliebtesten» Berufe zeigen nicht unbedingt, dass diese der Wunschtraum der meisten Jugendlichen sind. Viel mehr sind diese Top-Listen einfach ein Abbild der Wirtschaft. Kurzum: Wo es den grössten Bedarf an Personal gibt, gibt es auch das grösste Stellen- und Ausbildungsangebot. Wenn hierzulande also besonders viele junge Leute eine Lehre im Detailhandel, im Gesundheitswesen oder im kaufmännischen Bereich machen, liegt das in erster Linie daran, dass es da auch die meisten Angebote gibt.

Klingt fast etwas ernüchternd...

Das hat mit Ernüchterung nichts zu tun, sondern einfach mit der Realität – mit dem, was möglich ist und angeboten wird bei der Berufswahl. Das eine junge Mädchen würde vielleicht lieber Influencerin als Bankangestellte werden. Und der andere junge Bursche künftig vielleicht lieber Fussballprofi statt Gärtner. Aber solche Optionen liegen beim ersten Schritt ins Berufsleben halt nicht auf dem Tisch. Also wählt man aus dem, was angeboten wird. Und hält sich andere Optionen (oder auch Träume) in der Hinterhand. Genau aus diesem Grund ist die Schweizer Berufsbildung so erfolgreich: Sie bildet exakt die Wirtschaft ab und orientiert sich am Bedarf. Die Unternehmen bilden ihre künftigen Fachkräfte aus – dadurch ist die Jugendarbeitslosigkeit bei uns im Vergleich zu anderen Ländern enorm tief. Besser könnte es also nicht sein.

Der Begriff «Fachkräftemangel» ist in aller Munde. Viele denken da sofort an Ärzte, Informatiker oder Ingenieure – aber dieser Eindruck ist trügerisch, oder?

Die öffentliche Wahrnehmung ist tatsächlich etwas verzerrt. Viele stellen sich unter «Fachkräften» tatsächlich vor allem hochausgebildete und oder akademisierte Berufsstände vor. Daher wäre «Nachwuchsmangel» aus meiner Sicht eigentlich der bessere Begriff. Denn im Grunde genommen ist es relativ einfach: In jedem Beruf, in dem es ein Überangebot an Stellen gibt, herrscht faktisch Fachkräftemangel. Es ist daher völlig korrekt, wenn auch im Gewerbe und im handwerklichen Bereich von Fachkräftemangel gesprochen wird. Denn auch da gibt es Berufe, in denen Betriebe händeringend nach ausgebildetem Personal suchen.

«Ausgebildet» ist ein gutes Stichwort: Einzelne betroffene Branchen scheinen da ja mehr Glück zu haben als andere.

Wie meinen Sie das?

In der Gastronomie oder auf dem Bau zum Beispiel können ja auch Leute arbeiten, respektive eingestellt werden, die den Beruf gar nie erlernt haben.

Das stimmt. Diese Situation ist jedoch eher aus der Not geboren. Ich bin überzeugt, dass auch das Hotel, das Restaurant oder die Baufirma einen gelernten Mitarbeiter immer bevorzugen würde. Ungelerntes Personal einzustellen und dieses dann «learning by doing» an den Job heranzuführen ist aber immer noch die bessere Alternative als keine oder zu wenige Leute im Betrieb zu haben. Und, ja: Das ist tatsächlich stark branchenabhängig. Bei spezialisierten Handwerksbetrieben wie etwa dem Schreiner oder dem Elektroinstallateur kommt man ohne gelernte Mitarbeiter nicht weit. Überdies gibt es im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel auch Situationen, die erstaunen.

Zum Beispiel?

Der Mangel an Informatikerinnen und Informatikern ist erheblich. Die IT-Branche ist damit ein oft genanntes Beispiel, wenn es um Fachkräftemangel geht. Gleichzeitig stellen wir aber fest, dass in diesem Bereich zu wenige Lehrstellen angeboten werden – obwohl die Nachfrage enorm gross wäre! Das heisst: Jugendliche sind begeistert von IT – aber wenn potenzielle Berufsleute in diesem Bereich keine Lehrstelle finden, weichen sie halt auf etwas anderes aus. Dabei könnte sich die Branche durch ein grösseres Lehrstellenangebot ihren Nachwuchs für die Zukunft selbst aufbauen – und dem Mangel damit entgegenwirken. Klar, das braucht etwas Zeit, denn die Ausbildung ist für die Betriebe aufwändig. Aber man muss halt irgendwann damit beginnen.

Nach 12 Jahren werden Sie Ihren Posten dieses Jahr verlassen. Was bleibt?

In erster Linie bin ich zufrieden und glücklich mit der guten Situation, die im Kanton Luzern herrscht. Wir haben hier grossartige Betriebe und Ausbildner, sehr kompetente Bildungsinstitutionen, starke Verbände, ein vielfältiges und innovatives Unternehmertum. In Luzern kann jungen Leuten fast jeder erdenkliche Beruf angeboten werden. Und die Situation ist sehr stabil. Das ist nicht selbstverständlich. Die Zahl der Lernenden wird in den kommenden Jahren weiter steigen – es bleibt daher eine Herausforderung, genügend Lehrstellen anbieten zu können, und junge Leute damit in Luzern zu halten – oder in unseren Kanton zu bringen. Eigene Initiativen wie etwa die Lehrstellenbörse des KGL begrüssen wir daher sehr. Je direkter und unkomplizierter der Weg zur Lehrstellenvermittlung, desto besser.  


Informationen zu Berufslehre, Studium, Weiterbildungen sowie Beratung und Unterstützung finden Sie auf der kantonalen Seite: www.beruf.lu.ch

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