Silvana Leasi, wenn die LUKB eine freie Stelle zu besetzen hat: Besteht dann für Kandidatinnen und Kandi-daten, die die Qualifikationen dafür mitbringen und mindestens 55 Jahre alt sind, überhaupt die Chance auf eine Anstellung?
Ja, sicher. Aber es kommt halt auf den Bereich und die Funktion an. Menschen, die schon länger Teil des Arbeitsmarkts waren, haben die Karriere meist hinter sich. Trotzdem bewerben sie sich aber auf eine vergleichbare Position, die sie zuletzt innehatten, und da stehen sie dann halt in Konkurrenz zu 40- bis 50-Jährigen. Im Alter von 55 hat man noch einen Zeithorizont von zehn Jahren am Arbeits-
markt. Dieser Umstand macht es schwierig für die Bewerbenden über 55.
Beziehen Sie sich darauf, dass es unter anderem auch das Bestreben der LUKB ist, eine Stelle möglichst langfristig zu besetzen?Was heisst in unserer heutigen Welt schon langfristig? Zehn Jahre sind meines Erachtens schon ziemlich langfristig. Entscheidend ist, ob ein älterer Mitarbeiter flexibel genug ist, mit den Themen umzugehen, die der Job im Hier und Heute mit sich bringt.
Auch die Lohnvorstellung dürfte bei Ü55ern tendenziell eine höhere sein?
Nein, das muss nicht so sein. Es gibt auch viele junge Leute mit sehr hohen Gehaltsansprüchen. Bei kleinen KMU kann es aber ins Gewicht fallen, dass die Sozialleistungen für Ü55-Mitarbeitende teurer sind. Bei der Grösse unseres Unternehmens ist dieser Punkt nicht matchentscheidend.
Aus Kundensicht hat man bei einer Bank grundsätzlich das bessere Gefühl, wenn man von einer Person mit einer gewissen Lebenserfahrung beraten wird... Also: Ein Vorteil für ältere Mitarbeitende?
Ja. Es kommt aber auf den Bereich an. Gerade bei Kundenberatern wird eine gewisse Reife und ein entsprechendes Auftreten sicher geschätzt. Wird eine solche Stelle frei, ist das eine Chance für eine ältere Person.
Ü55-Mitarbeitende haben durchaus Vorteile zu bieten: Sie haben jahrelange Erfahrung am Arbeitsmarkt und meist eine höhere Sozial- und vielleicht auch Jobkompetenz, weil sie schon viel erlebt haben. Dafür stehen sie im Ruf, Mühe mit dem zunehmend digitalisierten Arbeiten zu haben. Entspricht das Ihrer Erfahrung?
Ich muss hier ein wenig ausholen: Als Arbeitgeber hat man eine soziale Verantwortung gegenüber jedem Mitarbeitenden. Dazu gehört für uns bei der LUKB lebenslanges Lernen, damit die Mitarbeitenden «arbeitsmarktfähig» bleiben, wie wir es nennen. Aber diese Verantwortung nehmen nicht alle Unternehmen in gleichem Masse wahr. Es gibt ältere Menschen, die in einem grossen Unternehmen einen guten Job hatten. Aber in immer den gleichen Themen und Settings – und Weiter-
bildung war nie ein Thema. Dann wird es nicht einfach, sich einen neuen Job zu ergattern – unter neuen Umständen. Bei älteren Menschen auf Jobsuche ist Flexibilität deshalb ein extrem wichtiges Stichwort.
Sprechen Sie damit die geistige Beweglichkeit an?
Ja, in erster Linie. Und eben auch den Willen zu lebenslangem Lernen. In früheren Jahrzehnten reichte meist eine Lehre, um sich bis zur Pensionierung am Arbeitsmarkt zu halten. Heutzutage muss man mit dem Tempo dieser Arbeitswelt und dem Ausmass der
Digitalisierung umgehen und Schritt halten können. Zur Flexibilität gehört meines Erachtens aber auch, dass ältere Menschen bereit sind, bei der Jobsuche im Vergleich zur vorangegangenen Anstellung auch mal einen Schritt zurück zu machen. Eine «Bogenkarriere», wie man das im Fachjargon nennt, wird heutzutage immer mehr zur Normalität. Das heisst: Man fängt unten an, arbeitet sich zu seinem beruflichen Peak hoch und geht danach wieder ein, zwei Schritte zurück zum Ende des Erwerbslebens.
Wie geht man bei der LUKB mit dem Thema Weiterbildung um?
Wir bieten viele interne Weiterbildungen an, aber auch externe. Wir investieren viel in die Weiterbildung der Mitarbeitenden und sprechen mit unseren Angeboten Mitarbeitende jeder Altersgruppe an.
Sind die Jüngeren bei diesem Thema dynamischer unterwegs?
Vielleicht, ja. Weiterentwicklung ist für mich generell eine Frage der Haltung – seitens des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers, und keine Altersthematik.
Ist das Standing von Über-50-Jährigen in Zeiten des Fachkräftemangels besser geworden?
Das könnte man im ersten Reflex vermuten, ich spüre das aber nicht unbedingt. Es wird aber vielleicht noch kommen, wenn die Schere noch weiter aufgeht beim Bedarf an Fachkräften und deren Verfügbarkeit am Markt. Da sind Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gleichermassen gefordert. Der Fokus muss darauf gelegt werden, wie man genug Menschen ins Erwerbsleben bringt – oder auch zurückholt.
In welchen Bereichen sehen Sie hier mögliche Lösungsansätze?
Ich glaube, dass man mit Anreizen für Unternehmen die besten Erfolgschancen haben wird. Je älter man wird, umso wichtiger werden die Einzahlungen in die 2. Säule. Vielleicht gibt es noch weitere Vergütungsoptionen, die man prüfen könnte?
Und was halten Sie von allfälligen Quoten, die Unternehmen in Bezug auf Ü55-Mitarbeitende zu erfüllen hätten?
Quoten mag ich nicht, das ist meinem politischen Denken geschuldet (Anm. d. Red: Silvana Leasi war bis Januar 2024 Luzerner Grossstadträtin für die Mitte). Quoten werden immer nur dann eingeführt, wenn man nicht mehr weiter weiss. Mir ist es lieber, wenn es nur wenige staatliche Eingriffe in die Wirtschaft gibt. Politik, Unternehmen und Wissenschaft müssen gemeinsam Lösungen erarbeiten. Das ist besser und nachhaltiger.
Bei älteren Leuten auf Jobsuche kursiert die Angst, dass grosse Firmen im Recruiting-Prozess Software einsetzen, die sie nur schon aufgrund des Alters sofort aussortiert. Geschieht das in der Praxis schon so?
Man darf sich nichts vormachen: Sehr grosse, international tätige Konzerne setzen solche Software-Tools im HR schon heute ein. Aus meiner Zeit bei der Emmi Group, die ebenfalls global tätig ist, weiss ich aber, dass zum Beispiel in den USA aus Gründen der Diskriminierung das Alter und das Geschlecht gar nicht erst angegeben und kein Foto von sich beigelegt werden muss bei einer Bewerbung. Als HR-Verantwortlicher kann man sich anhand des Lebenslaufes zwar in etwa vorstellen, wie alt jemand ist. Aber zu Gesicht bekommt man die Person erst, wenns zum Vorstellungsgespräch kommt.
Sollte bei Firmen auf Mitarbeitersuche ein Umdenken stattfinden, indem man die Vorzüge der über 50-jährigen Stellensuchenden mehr betont?
Ja, durchaus. Ich persönlich habe da kaum Berührungsängste. Schliesslich sind die heute 55-Jährigen nicht mehr die Gleichen wie vor 60 Jahren. Wir beschäftigen zum Beispiel auch Mitarbeitende, die über das ordentliche Pensionsalter hinaus bei uns weiter-arbeiten. Wenn jemand auch über 65 noch fit und motiviert ist, wieso sollte das nicht möglich sein?
