Diese Fakten beeinflussen den Auswahlprozess eines KMU

Trotz Fachkräftemangel geben sich Luzerner Unternehmen beim Selektionsprozess eines neuen Mitarbeitenden zertifikatsgetrieben. Wer die Ansprüche nicht erfüllt, wird aussortiert. Doch hält diese These einer Überprüfung stand? Darauf kann die Personalberatungsfirma Persigo, die eng mit Luzerner KMU aus verschiedenen Branchen zusammenarbeitet, keine allgemein gültige Antwort geben.

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Über den noch Jahrzehnte lang herrschenden Fachkräftemangel jammern? Aber sicher! Flexibilität zeigen beim Selektionsprozess und einem Quereinsteiger, der nicht alle Ansprüche des eigenen Stellenprofils erfüllt, eine Chance geben? Dann doch lieber nicht.

Eine solche Doppelmoral werfen einige Beobachter des Arbeitsmarktes und Stellensuchende gewissen Unternehmen vor. Die Frage ist also: Wie flexibel agieren Luzerner KMU bei einer Neuanstellung?

Die gute Nachricht vorneweg: «In den letzten drei bis vier Jahren durchlebten die KMU einen Prozess», sagt Michael Wey, Mandatsleiter im Bereich der Dienstleistungsbranche und Mitglied der Geschäftsleitung von Persigo in Luzern. Seit der Corona-Pandemie sei die Kompromissbereitschaft bei der Besetzung einer Vakanz klar gestiegen. «Heute gibt es mehr Möglichkeiten für einen gewissen Bereich von offenen Stellen», sagt er, bevor er nachschiebt: «Aber verallgemeinern lässt sich diese Aussage nicht.»
 

Was für Quereinsteiger wichtig ist

Melanie Salvisberg ist bei Persigo Personalberaterin im Bereich Technik und Informatik. Sie bestätigt: «Im technischen und industriellen Bereich gibt es für Quereinsteiger vermehrt die Chance, eine Anstellung zu ergattern, wenn man gewisse Fähigkeiten und Motivation mitbringt.» Ausnahmen seien Stellen, die eine spezielle Aus- oder Weiterbildung erfordern – wie zum Beispiel bei einem Elektroinstallateur. Hingegen bedauert sie, dass «die meisten Firmen in den Bereichen Arbeitsvorbereitung oder Produktionsplanungs- und -steuerungssystem Berufserfahrung verlangen. Wer ‹nur› eine Weiterbildung in diesen Bereichen abgeschlossen hat, bekommt kaum eine Chance.»

Die Furcht, Aufträge zu verlieren

Das Verhalten einer Firma beim Selektionsprozess kann aber auch massgeblich von der Auftragslage beeinflusst werden. «Bei den Vakanzen, die effektiv zu wenig Fachkräfte hergeben, kommen Unternehmen nicht umhin, auf alternative Profile zu setzen. Denn sind die Aufträge eines KMU vorhanden, möchte man diese nicht mehr aus den Händen geben», hat Michael Wey erkannt. Und folgert: «Das ist sicher der Hauptgrund, warum man heute Personen einstellt, die nicht gänzlich dem Wunschprofil entsprechen. Und bereit dazu ist, sie während der ersten Monate oder einem ganzen Jahr selber auszubilden.»

Grundsätzlich empfiehlt er jedem Unternehmen, «auch Mitarbeitende kennenzulernen, die mindestens 70 Prozent des ausgeschriebenen Stellenprofils erfüllen – wenn Wille und Potenzial spür- und erkennbar sind.» Natürlich brauche es in einem solchen Fall flankierende Massnahmen wie eine Weiterbildung, um den Job künftig machen zu können.

Anders sieht die Ausgangslage im Selektionsprozess von Unternehmen, die Wachstum anstreben, aber noch keine vollen Auftragsbücher haben, aus. «Die Verantwortlichen solcher Firmen zeigen weniger Kompromissbereitschaft, weil das Marktumfeld seit rund einem Jahr schwieriger geworden ist. Da kann und will man sich weniger Experimente bei einer Neuanstellung leisten», weiss Michael Wey.

Wer in diesen Bereichen eine Weiterbildung, aber keine Berufserfahrung vorweisen kann, kriegt kaum eine Chance. Das bedaure ich.
Melanie Salvisberg, Persigo-Personalberaterin Technik und Informatik

Kleine KMU brauchen Produktivität

Aber welche Rolle spielt eigentlich die Grösse eines KMU? Sind die grösseren Fische eher bereit, Kompromisse im Selektionsprozess einzugehen als die kleinen?

Melanie Salvisberg sagt, dass je kleiner ein Unternehmen sei, umso weniger könne man die zusätzliche Arbeitslast, wenn ein bisheriges Teammitglied fehlt, auf die verbleibenden umwälzen. «Denn so riskiert man, dass zu viel Mehrarbeit zu weiteren Abgängen oder einer schlechten Arbeitsatmosphäre führen kann.» Aus ihrer Sicht sind deshalb kleinere Unternehmen eher kompromissbereit.

Für Michael Wey kommt es  weniger auf die Grösse eines Luzerner KMU an als auf die Branche und die Marktsituation. Er macht auch die Erfahrung, dass «kleinere Unternehmen Kompromisse machen. Aber das Potential muss um so mehr vorhanden sein, da in kleinen Unternehmen Produktivität umso mehr gefragt ist.»
 

Vorteile von Quereinsteigern

Der Vorteil, kompromissbereit zu sein im Selektionsprozess, kann für ein KMU ein paar Vorteile bringen: Zum einen ist die Wertschätzung des neuen Mitarbeitenden gross. Zum anderen auch die Chance, dass dieser das Vertrauen mit jahrelang anhaltender Treue zurückzahlt. Zudem bringen Quereinsteiger den Blick von aussen mit und können neue Ideen liefern. Gerade ältere Job-Kandidaten, die schon einen grossen Teil ihres Erwerbslebens hinter sich gebracht haben, wissen die Möglichkeit einer neuen Herausforderung zu schätzen. Doch Michael Wey schränkt ein: «Im Dienstleistungssektor wird es mit einer neuen Anstellung umso schwerer, je älter man geworden ist. Wer 50 und älter ist und sich mit seinen Fähigkeiten nicht von der Masse abhebt, fällt meist der Altersguillotine zum Opfer.»

Aber es gibt auch im Dienstleistungssektor Ausnahmen. «Eine davon ist beispielsweise das Treuhand. Dort,  wo es eine Fachspezialisierung braucht und der Arbeitsmarkt extrem trocken ist, sind Mitarbeitende unabhängig ihres Alters sehr gefragt. (aci)  
 


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