«Eine eigene Vorsorge aufzubauen ist auch in einer Partnerschaft wichtig»

Auf dem Schweizer Arbeitsmarkt gibt es immer mehr Teilzeitbeschäftige, obwohl unser Sozialversicherungssystem auf volle Erwerbstätigkeit ausgerichtet ist. Peter Fries, Vorsitzender der Geschäftsleitung der PKG Pensionskasse, sagt im Interview, was Teilzeitarbeitende beachten sollten, um den gewohnten Lebensstandard im Pensionsalter zu erhalten. Und was er sich von der Politik wünscht.

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Die erste und zweite Säule des schweizerischen Sozialversicherungssystems wurde auf Vollzeitarbeit ausgerichtet. Können Sie uns die wichtigsten Auswirkungen für dieses nennen, wenn es auf dem Arbeitsmarkt immer mehr Teilzeitarbeitende gibt?
Teilzeitarbeit beeinflusst die Altersvorsorge erheblich und kann langfristig finanzielle Lücken verursachen. Da die berufliche Vorsorge direkt vom Lohn abhängt, führt ein reduziertes Pensum zu geringeren Altersguthaben und niedrigeren Renten. Betroffen sind auch Geringverdienende, da der Koordinationsabzug ihren versicherten Lohn zusätzlich schmälert.

Zudem betrifft Teilzeitarbeit überproportional oft Frauen, die dadurch weniger in die Pensionskasse einzahlen und ein höheres Risiko für Altersarmut tragen. Auch die AHV gerät unter Druck, da ihr Umlageverfahren auf ausreichende Beitragszahlungen angewiesen ist. Eine zunehmende Zahl von Teilzeitbeschäftigten mit geringeren Beiträgen hat einen negativen Einfluss auf ihre finanzielle Stabilität.

Welche Auswirkungen kann es für eine Person im Rentenalter geben, wenn sie ein Arbeitsleben lang nur Teilzeit gearbeitet hat? Was raten Sie ihr, damit der Lebensstandard nach Beendigung des Arbeitslebens gehalten werden kann?
Teilzeitarbeit führt häufig zu geringeren Altersguthaben und damit zu niedrigeren Renten. Deshalb ist es wichtig, dass Personen, die ihr gesamtes Erwerbsleben in Teilzeit gearbeitet haben, ihre finanzielle Situation im Alter frühzeitig analysieren und entsprechende Massnahmen ergreifen, um ihren gewünschten Lebensstandard zu sichern.

Eine rechtzeitige und vorausschauende Finanzplanung ist essenziell. Durch regelmässige Überprüfung der Altersvorsorge können mögliche Lücken frühzeitig erkannt und Gegenmassnahmen ergriffen werden. Idealerweise sollte in die dritte Säule investiert werden, da sie die Möglichkeit bietet, individuell Kapital anzusparen und steuerliche Vorteile zu nutzen.

Zudem ist es ratsam, Einkommenslücken zu vermeiden und eine kontinuierliche Erwerbstätigkeit sicherzustellen. Wer Teilzeit arbeitet, sollte darauf achten, durchgängig AHV-Beiträge zu leisten, um Beitragslücken und daraus resultierende Rentenkürzungen zu verhindern. Falls sich abzeichnet, dass der gewohnte Lebensstandard im Alter nicht gehalten werden kann, könnte eine Erhöhung des Arbeitspensums eine sinnvolle Lösung sein, was dann auch das Potenzial für nachträgliche Einkäufe in die zweite Säule erhöht.

Bietet unser Sozialversicherungssystem auch Vorteile für Teilzeitarbeitende?
Ja, gewisse schon. In der AHV können Erziehungs- und Betreuungsgutschriften die Rentenansprüche ergänzen, was insbesondere Eltern und pflegenden Angehörigen zugutekommt.

In der beruflichen Vorsorge (BVG) gibt es Mechanismen, um Lücken zu reduzieren. So können unter bestimmten Bedingungen Beiträge aus mehreren Teilzeitstellen zusammengelegt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, durch freiwillige Einzahlungen in die Säule 3a die Altersvorsorge zu stärken.

Ein weiterer Vorteil ist der Unfallschutz: Wer mindestens acht Stunden pro Woche arbeitet, ist nicht nur bei Berufsunfällen, sondern auch bei Nichtberufsunfällen versichert. Diese Regelungen tragen dazu bei, Teilzeitarbeitende sozial abzusichern und ihre finanzielle Zukunft zu stabilisieren.

Jetzt kann man sich aber auch auf den Standpunkt stellen, dass Paare heutzutage mit zwei Teilzeit-Anstellungen auf mehr als eine 100-Prozent-Anstellung kommen. In längst vergangener Zeit arbeitete der Mann ja Vollzeit, um seine Familie zu ernähren. Wie ordnen Sie diesen Sachverhalt ein?
Die Arbeits- und Lebensmodelle haben sich stark verändert. Während früher meist ein Partner, oft der Mann, mit einer Vollzeitstelle das Familieneinkommen sicherte, setzen heute viele Paare auf zwei Teilzeitstellen, die gemeinsam mehr als ein volles Pensum ergeben. Es ist auf jeden Fall wichtig, sich – auch in einer Partnerschaft lebend – nicht auf die Vorsorgeabsicherung durch den oder die Partnerin zu verlassen, sondern eine eigene Vorsorge aufzubauen.

Dieses Modell fördert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, eine gerechtere Aufteilung der Betreuung und den Erhalt der beruflichen Perspektiven. Allerdings bleibt das Sozialversicherungssystem auf Vollzeitarbeit ausgerichtet, was Teilzeitbeschäftigte benachteiligt – insbesondere durch den Koordinationsabzug in der zweiten Säule und geringere AHV-Renten bei niedrigem Einkommen. Eine gezielte Vorsorge ist daher essenziell.

Kann man sagen, dass das Schweizer Sozialversicherungssystem der heutigen Arbeitsrealität hinterherhinkt? Und welche Massnahmen wünscht sich die PKG Pensionskasse von der nationalen Politik, um unser Sozialversicherungssystem in eine sichere Zukunft zu führen?
Das Schweizer Sozialversicherungssystem ist nach wie vor stark auf Vollzeitbeschäftigung ausgerichtet und wird den heutigen Arbeitsrealitäten nur bedingt gerecht. Besonders Teilzeitarbeit und Mehrfachbeschäftigungen führen in der zweiten Säule (BVG) zu Herausforderungen.

Zwar können Unternehmen den Koordinationsabzug senken oder ganz darauf verzichten, um Teilzeitarbeitende besser in die berufliche Vorsorge einzubinden, doch nicht alle Arbeitgeber nutzen diese Möglichkeit. Eine gesetzliche Anpassung, etwa eine proportionale Berechnung des Koordinationsabzugs je nach Pensum, könnte eine gerechtere Lösung schaffen.

Zudem sollten Personen mit mehreren Teilzeitstellen besser abgesichert werden, indem Pensionskassenbeiträge aus verschiedenen Anstellungen zusammengelegt werden können. Auch die dritte Säule spielt eine zentrale Rolle, um Vorsorgelücken zu schliessen – hier wären höhere steuerliche Abzugsmöglichkeiten oder gezielte Anreize für Geringverdienende sinnvoll.Schliesslich braucht es nachhaltige Lösungen für die Finanzierung der AHV, um die wachsende Zahl von Teilzeitarbeitenden langfristig abzusichern. (aci) 

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