«Es verlangt einem in den ersten Jahren viel ab, wenn man selbstständig wird»

Die Zahl der Unternehmen im Handelsregister des Kantons Luzern erreichte Ende 2023 einen neuen Höchststand von 33'1126. Im Vergleich zum Vorjahr waren das netto 1'070 Unternehmen mehr – ein Erfolg für die Wirtschaftsförderung Luzern. Deren Direktor Ivan Buck nimmt zur Herausforderung, eine eigene Firma zu gründen, Stellung – und sagt, in welchen Branchen er am meisten Potenzial sieht.

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Teilen Sie den Eindruck, dass die Pandemiejahre zu vielen Neugründungen von Firmen geführt haben?
In der ersten Phase nach der Covid-Krise konnten wir in der Tat eine leicht erhöhte Gründungstätigkeit feststellen. Die Zeit der Pandemie war von vielen Neuorientierungen geprägt. Veränderungen am Arbeitsplatz und die vermehrte Zeit, sich dazu Gedanken zu machen, haben gemäss unserer Einschätzung zu diesem Effekt geführt.

Hält dieser Trend an?
In der Zwischenzeit hat sich die Anzahl Neugründungen wieder eingependelt.

Wo sind die Arbeitnehmenden alle hin, die nach den Pandemiejahren 2020 und 2021 auf dem Arbeitsmarkt fehlen?
Die Arbeitslosenquote ist in der Tat noch immer historisch tief, auch wenn sie in den letzten Monaten ganz leicht angestiegen ist. Zudem sind die Stelleninserate ein wenig zurückgegangen, und die Arbeitgebenden erhalten bei vakanten Stellen im Durchschnitt wieder mehr Bewerbungen. Der Pendlersaldo im Kanton Luzern verzeichnet einen leichten Rückgang, was auf die attraktiven Arbeitsplätze im Kanton Luzern hindeutet. Zudem stellen wir fest, dass der Anteil an Teilzeitarbeitenden tendenziell zunimmt.

Ist die Gründung einer Firma heutzutage einfacher als noch vor 20 Jahren, weil es weniger bürokratische Hürden gibt? Oder verhält es sich genau umgekehrt?
Der Gründungsprozess ist heute grundsätzlich gleich wie früher, durch die diversen digitalen Angebote gestaltet er sich heutzutage jedoch einfacher und schneller. Die grosse Herausforderung ist nach wie vor oftmals die Finanzierung. Mit ihrem Netzwerk zu Banken, Stiftungen und zur Bürgschaftsgenossenschaft kann die Wirtschaftsförderung Luzern in vielen Fällen helfen. Zudem bieten wir gemeinsam mit unseren Partnern Mikrokredite bis 25'000 Franken an.

Welchen Einfluss hat die Tiefsteuerstrategie des Kantons Luzern auf Firmengründungen?
Grundsätzlich wirken sich tiefe Unternehmenssteuern natürlich positiv auf die Entscheidung, ein Unternehmen zu gründen, aus. Diesbezüglich kann der Kanton Luzern klar punkten. Einen Nachholbedarf haben wir beim Abzug für Forschung & Entwicklung, der Patentbox und der Kapitalsteuer. Hinsichtlich dieser Themen haben uns die Nachbarkantone in den letzten Jahren überholt. Mit der geplanten Steuergesetzrevision sollen diese drei Achillesfersen nun ausgemerzt werden. Nicht immer aber steht die Unternehmenssteuer bei der Gründung überhaupt im Fokus, da in den ersten Jahren tendenziell investiert wird und sich der Gewinn im moderaten Bereich bewegt.

Und welchen Einfluss hat der Fachkräftemangel?
Arbeitnehmende sind heutzutage aufgrund des Fachkräftemangels grundsätzlich begehrt. Teilweise besteht gar ein regelrechter «war of talents». Die Idee, selbst eine Firma zu gründen, die damit verbundenen Risiken einzugehen und insbesondere während der ersten Jahre Überdurchschnittliches zu leisten, wird von potenziellen Neuunternehmenden gut überlegt und deshalb oftmals wieder verworfen.

Betreffend Firmenstandort steht der Kanton Luzern in harter Konkurrenz zu Zug und Zürich. Ist es für Luzern  schwieriger geworden, sich durchzusetzen, weil viele Firmen in Zug und Zürich ihren meist besser bezahlten Mitarbeitenden seit der Pandemie die Möglichkeit zu Homeoffice bieten?
Hier erkenne ich kaum einen Unterschied zu anderen Kantonen. Viel eher ist es der Umstand, dass es einem viel abverlangt, Unternehmerin oder Unternehmer zu werden – insbesondere in den ersten Jahren nach der Gründung. Dazu gehört auch eine hohe physische Präsenz. Homeoffice ist für viele Neuunternehmende kaum möglich. In der späteren Phase gewinnt man in der Regel eine hohe Freiheit zurück. Diese tauscht eine Unternehmerin oder ein Unternehmer in der Regel nicht gerne ein, auch wenn einem als angestellte Person mit Homeoffice ebenfalls eine gewisse Flexibilität geboten wird.

In welchen Branchen sehen Sie noch Potenzial für Firmengründungen?
Wichtig sind die Leidenschaft für die gegründete Firma und das Engagement. Mit einer guten Begleitung durch Treuhänder, Banken etc. in der Startphase steht einer erfolgreichen Gründung nichts entgegen. Die grössten Chancen sehe ich aktuell in handwerklichen Berufen, bei Ingenieuren und in der Gesundheitsbranche.

Wie unterstützt die Wirtschaftsförderderung Luzern bei Gründungen?
Auf unserer Website bieten wir Informationen und den Zugang zu spezifischen Angeboten für Gründerinnen und Gründer wie etwa die beliebten kostenlosen Gründerkurse. Zudem helfen wir als Anlaufstelle bei Fragen oder Anliegen aller Art. Ganz konkret können wir zudem mit unseren Finanzierungsangeboten und dem Zugang zu unserem Netzwerk helfen.

Ihr Tipp an Arbeitnehmende, die sich selbstständig machen?
Wir freuen uns über jedes erfolgreiche neue Unternehmen im Kanton Luzern. Die zentrale Herausforderung sind die Kundenakquise und die Umsatzziele. Ein Tipp für angehende Gründerinnen und Gründer: Streben Sie in der ersten Phase nicht nach Perfektion und legen Sie das Hauptaugenmerk auf Ihr Angebot im Markt resp. die Bedürfnisse Ihrer Kundschaft. Und holen Sie sich Unterstützung in jenen Themen, die Sie zu wenig kennen oder in denen Sie nicht geübt sind.

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