ewl-Chef Patrik Rust: «Die Nachfrage nach Ökostrom ist hoch»

Egal ob KMU oder Privathaushalt: Wir brauchen immer mehr Strom – und dieser Trend wird sich künftig weiter verstärken. Deshalb sind nicht nur nachhaltige, erneuerbare Energien gefragt, sondern auch clevere Lösungen – etwa im Lastenmanagement. Patrik Rust, CEO von ewl energie wasser luzern, erklärt, was Effizienz bedeutet und wo es künftig noch mehr Anstrengungen und Innovationen braucht.

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Patrik Rust, das Thema Strom ist – spätestens seit der befürchteten Strommangellage 2022 – in aller Munde. Wie empfinden Sie eigentlich den Umstand, dass inzwischen gefühlt jede und jeder über ihre Branche spricht?
Damit habe ich kein Problem – im Gegenteil. Ich sehe es positiv, dass das Thema Energieversorgung breit diskutiert wird. Schliesslich geht die Stromversorgung jede und jeden von uns etwas an. Eine zuverlässige, aber auch ökologische Energieversorgung ist für alle elementar. Wenn es um Energie-Strategien für die Zukunft geht, ist es zwingend, dass ein gesellschaftlicher Konsens erreicht wird. Eine Interessenabwägung zwischen dem Ausbau erneuerbarer Stromproduktion und einem minimalen Eingriff in die Natur muss stattfinden.

Welches sind denn – einfach erklärt – die grössten Herausforderungen der Zukunft in Sachen Strom?
Der Trend ist: Unser Strombedarf wird künftig weiter steigen. Wärme und Mobilität sind die grossen Triebkräfte. Dabei geht es weg von fossilen Brennstoffen hin zur Elektrifizierung. Das ist gut fürs Klima, aber gleichzeitig eine grosse Herausforderung hinsichtlich der Produktion und Netzkapazitäten. Es wird in Zukunft zudem mehr dezentrale Produktion geben – respektive: geben müssen. Photovoltaik ist hier ein Schlüsselbegriff. Gefragt sind Lösungen, um Produktion und Verbrauch in Einklang zu bringen.

Also mehr selbst produzierter Strom in Privathaushalten und Firmen?
Grundsätzlich ja. Nun kommt die clevere Vernetzung ins Spiel. Es reicht nicht, wenn viele einzelne künftig zur selben Zeit Strom produzieren, etwa mit eigenen Photovoltaikanlagen auf dem Hausdach. Denn damit ist das Problem von möglichen Versorgungslücken noch nicht gelöst. In der Nacht kann mit Photovoltaik kein Strom erzeugt werden. Zudem liefern PV-Anlagen im Winter deutlich weniger Strom als im Sommer. Es braucht also auch in Zukunft einen abgestimmten Mix von Massnahmen und ein kluges Lastenmanagement.

Was ist mit Lastenmanagement genau gemeint?
Lastenmanagement wird zum Beispiel im Zusammenhang mit Elektroautos oft genannt: Würden in einer privaten Mehrfamilienhaus-Garage von heute auf morgen nur noch Elektroautos stehen und diese alle abends gleichzeitig aufgeladen, würde die Stromversorgung innerhalb der Liegenschaft aufgrund der hohen Last ausfallen. Deshalb kommen intelligente Lastenverteilersysteme zum Einsatz. Sie überwachen den Verbrauch, steuern die unterschiedlichen Lastenträger und stellen sicher, dass das Netz stabil arbeiten kann. Lastenmanagement kann auf verschiedenen Ebenen funktionieren, sowohl auf der individuellen Verbraucherebene – in den eigenen vier Wänden –, als auch im grösseren Stil auf der Ebene von Industrieanlagen, Arealen oder ganzen Stromnetzen.

Aber wenn sich einzelne Haushalte zu Stromerzeugergemeinschaften zusammentun, ist das grundsätzlich der richtige Weg, oder?
Ja, das ist eine gute Möglichkeit. Es ermöglicht, lokal produzierten Strom dort einzusetzen, wo er produziert wurde. Noch effektiver wären die Möglichkeiten des «Gemeinschafts-Ansatzes» übrigens im gewerblichen Bereich. In Industriequartieren gibt es oft grosse Flächen für Photovoltaik. Hier könnten intelligente Lastensteuerungen zwischen mehreren Unternehmen installiert werden, sofern sie über zusammenhängende Grundstücke verfügen.

Und dennoch sind die Probleme von saisonalen Schwankungen auch mit den intelligentesten und effizientesten Anlagen nicht lösbar. Es wird nebst dezentraler also weiterhin eine zentrale Stromversorgung brauchen.

Wichtiger für die Umwelt ist aber die Wahl von energieeffizienten Geräten wie Kühlschrank oder Backofen.
Patrik Rust, CEO ewl energie wasser luzern

Man kann also so viele Solar-Panels auf Dächer montieren, wie man will, es wird dennoch nicht ausreichen, um den enormen Strombedarf zu decken?
Richtig. Man muss das Gesamtsystem im Auge behalten. Für eine nachhaltige und sichere Stromversorgung ist ein vielfältiger Produktionsmix notwendig. Deshalb investieren ewl seit Jahren in Solaranlagen, Wasserenergie und Windenergie.

Sind die Leute wirklich bereit, tiefer ins Portemonnaie zu greifen, um nachhaltige Energie aus ihrer Steckdose zu bekommen?
Die Bereitschaft ist insbesondere im privaten Bereich da. Unsere Besonderheit ist: ewl bietet in der Grundversorgung ausschliesslich natürlich produzierten Strom an. Unser Standardprodukt ist «ewl Naturstrom». Dieses Produkt garantiert eine Schweizer Produktion aus natürlichen Energieträgern. Zusätzlich bieten wir unseren Kundinnen und Kunden «Luzerner Wasserstrom» und «Luzerner Solarstrom» an. Diese drei qualitativ hochwertigen Ökostromprodukte zusammen machen bei uns rund 80 Prozent des Anteils in der Grundversorgung aus. Die weiteren 20 Prozent unserer privaten Kundinnen und Kunden haben sich für das etwas günstigere Produkt «ewl Mixstrom» entschieden, das zusätzlich natürliche Energieträger aus Europa enthält – aus ausländischer Stromproduktion. Diese zunehmende Nachfrage nach ökologischen Produkten spüren wir auch im gewerblichen Kundensegment.

Aber grüner Strom ist teurer als fossiler Strom oder Atomstrom. Was heisst das konkret? Können Sie ein Beispiel machen?
Wie gesagt bietet ewl in der Grundversorgung keinen Atomstrom an. Aber nimmt man unser günstigstes Produkt «ewl Mixstrom» als Basis, bezahlen unsere Kundinnen und Kunden für «Luzerner Wasserstrom» einen Aufpreis von 4 Rappen pro Kilowattstunde. Bei Solarstrom aus der Region Luzern sind es derzeit 10,5 Rappen.

Was sagen Sie zur paradoxen Situation, dass viele Leute ökologischen, gerne auch regionalen Strom haben möchten – es bei entsprechenden Bauvorhaben aber so gut wie immer zu Einsprachen und Widerstand kommt?
Das ist ein Phänomen unserer Zeit. Wir möchten auf möglichst nichts verzichten. Es fällt uns aber enorm schwer, Zugeständnisse zu machen.  Die meisten möchten schnelles Internet und eine gute Handyverbindung – aber keine Mobilfunkantenne in der Nähe. Natürlich ist es ein Fakt, dass für die Produktion von Wasserstrom oder auch für Windenergie Eingriffe in die Natur gemacht werden müssen. Aber wir machen diese sehr gezielt – und so eingeschränkt wie möglich. Unter dem Strich sind diese Arten der Energiegewinnung zwar nicht perfekt, aber immer noch viel nachhaltiger und schonender als die Alternativen.

Ein Trend der heutigen Zeit sind auch sogenannte «Smart-Home»-Produkte fürs eigene Daheim. Besteht da tatsächlich Potenzial zum Stromsparen – oder ist es eher eine Spielerei?
Natürlich führen solche Produkte für zuhause – etwa ferngesteuerte Steckdosen oder intelligente Zeitschalter – nicht die grosse Energiewende herbei. Dennoch schaffen sie ein Bewusstsein dafür, welcher Teil im Haushalt wie viel Energie verbraucht. Nur schon dieser Aspekt ist positiv. Dass wir ein Badezimmerlicht von unterwegs noch ausschalten können, wenn wir es vergessen haben, ist nützlich. Wichtiger für die Umwelt ist aber die Wahl von energieeffizienten Geräten wie Kühlschrank, Waschmaschine oder Backofen. Diese Investitionen zahlen sich langfristig aus.

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