Gaudenz Zemp, der KGL hat bei der Hochschule Luzern eine Studie zum Fachkräftemangel im Kanton Luzern in Auftrag gegeben. Was war der Anlass dafür?
Wir wollten nicht nur über den Fachkräftemangel klagen, sondern Lösungen erarbeiten. Dazu brauchten wir eine fundierte Analyse. Sie erlaubte es uns, nach Bereichen mit Potenzial zu suchen. Um dieses Potenzial besser auszuschöpfen, haben wir anschliessend in der Präsidentenkonferenz der Berufs- und Branchenverbände einen konkreten Massnahmenkatalog erarbeitet.
Welches sind die wichtigsten Eckpfeiler?
Aus bildungspolitischer Optik ist zentral, dass wir den Eltern aufzeigen können, welche Perspektiven eine Berufslehre bietet – auch für gute Schülerinnen und Schüler. Viele Erziehungsberechtigte sind immer noch der Meinung, dass ihr Kind die Kanti absolvieren muss, um später Karriere machen zu können. Eine Gegenmassnahme hierzu ist, dass an Elternabenden in der Primarschule regelmässig bekannte Unternehmer aus der Region teilnehmen, die mit ihrem eigenen Beispiel den Eltern die Lehre schmackhaft machen. Der Kanton Luzern hat dieses System der «Botschafter der Berufsbildung» bereits vor vier Jahren eingeführt. Wir wollen dieses gezielter auf die Schülerinnen ausrichten.
Sie wollen bei Eltern und Schülern die Faszination für die Berufsbildung wecken. Wie gedenken Sie das zu tun?
Das geht am besten, wenn die Jugendlichen direkt vor Ort einen Einblick erhalten, zum Beispiel im Rahmen eines Lehrstellenparcours. Hier können die Jugendlichen an einem Tag in mehrere Berufe reinschnuppern. Um den Schulen wie auch den Betrieben die Organisation und Abwicklung zu erleichtern, haben wir eine entsprechende Software entwickelt, welche die Gemeinden ab sofort bei uns beziehen können.
Im Kantonsrat haben Sie sich unlängst für die Abschaffung des Langzeitgymnasiums stark gemacht. Ist das ebenfalls ein Teil des Massnahmenkatalogs?
Wir fordern nicht die sofortige Schliessung, sondern eine ergebnisoffene Überprüfung des Langzeitgymnasiums. Wir wollen eine gesamtheitliche Analyse der bestehenden Strukturen und ihrer Auswirkungen auf den Berufswahlprozess.
Der Übertritt von der Schule in die Lehre ist ein entscheidender Moment im Leben eines Jugendlichen. Wie lässt sich diese Schnittstelle optimieren?
Auf der einen Seite haben leistungsstarke Schülerinnen und Schüler ab Sommer neu die Möglichkeit, bereits in der 3. Sek mit der Berufsmatura zu beginnen. Wir haben dies initiiert. Auf der anderen Seite sollen schwächere Schüler – ebenfalls im Verlauf der 3. Sek – einen Praxiseinsatz leisten können. Es ist uns ein Anliegen, diese Durchlässigkeit weiter zu fördern.
Um mehr Fachkräfte generieren zu können, müssen aber in einigen Branchen mehr Betriebe von der Lehrlingsausbildung überzeugt werden. Wie wollen Sie das schaffen?
Indem Unternehmen, die Lernende ausbilden, entlastet werden. Darum prüfen wir zurzeit intensiv die Einführung eines Berufsbildungsfonds, wie er im Kanton Zürich bereits existiert. Da würden IT-Firmen, die nicht ausbilden, ebenfalls einen Obolus an die Berufsbildung leisten. Damit könnten auch internationale Unternehmen, die in den Kanton Luzern ziehen, stärker eingebunden werden.
Welche Massnahmen schweben Ihnen sonst noch vor?
Wir wollen zielstrebig, auch in der KMU-Wirtschaft, möglichst frauen- und familienfreundliche Strukturen fördern. In vielen Unternehmen sind die Chefetagen immer noch männerdominiert, auch im mittleren Kader sind Frauen eher selten. Darum setzen wir uns für zahlbare Kita-Lösungen und Tagesstrukturen ein. Und wir wollen die Unternehmen für mehr Teilzeitpensen und flexiblere Arbeitszeiten sensibilisieren.
Ein weiteres Augenmerk gilt den über 55-jährigen Arbeitnehmenden. Was schwebt Ihnen hier vor?
Bei vielen 50+-Arbeitnehmenden liegt die Schulzeit lange zurück. Deshalb müssen wir alles unternehmen, um sie für die digitale Arbeitswelt von morgen fit zu machen. Wir engagieren und deshalb aktiv im Programm «Schulung der Grundkompetenzen», wie es der Kanton Luzern seit kurzem gestartet hat. Mit Mitteln aus dem vorhin erwähnten Berufsbildungsfonds könnten zusätzliche Kurse und Umschulungen finanziert werden.
Wie sieht der Fahrplan für die Umsetzung Ihres Massnahmenkatalogs aus?
Die Massnahmen werden – im Sinne einer rollenden Planung – über mehrere Jahre hinweg umgesetzt. Dabei werden wir den Fahrplan zusammen mit der Präsidentenkonferenz der Berufs- und Branchenverbände alle sechs Monate überprüfen. Einige Massnahmen können wir aus eigener Kraft vorantreiben, bei anderen gibt es Schnittstellen zum Kanton und diversen Institutionen. Die Gespräche mit den jeweiligen Verantwortlichen sind bisher vielversprechend verlaufen.