In den grössten Krisen nehmen oft die erfolgreichsten Vorhaben ihren Anfang. Wir schreiben das Jahr 1918. In Europa, im nahen Osten, in Afrika, in Ostasien und auf den Ozeanen tobte der 1. Weltkrieg. Die spanische Grippe breitete sich aus. Der Generalstreik hielt die Schweiz in Atem. Vielleicht war die Zukunft in der Welt und in der Schweiz noch nie so unsicher. Doch in Meggen starteten Xaver Rast und Anna Rast-Abt mit einem Colonialwarenladen in die Selbständigkeit. Damit legten sie den Grundstein für eine erfolgreiche, bis heute anhaltende Unternehmensgeschichte, die sich untrennbar mit der Familiengeschichte verwob. Und gleichsam von einem Führungsmodell geprägt wurde, das heute als wegweisend gilt: Topsharing, eine Co-Führung an der Spitze. Immer auch in gelebter und zugleich selbstverständlicher Gleichberechtigung.
Die entscheidende Motivation
Heute führen in mittlerweile vierter Generation und in Ebikon Evelyne Rast (43) und Beatrice Rast (41) als Inhaberinnen das Unternehmen unter dem Namen Rast Kaffee, eine Gourmet Rösterei der Spitzenklasse. «Die Möglichkeit, unser Unternehmen weiterhin als Familie zu führen, war für uns die entscheidende Motivation», sagen Evelyne Rast, die zuständig für den Bereich Verkauf und Schulungen ist, und Beatrice Rast, die für den Einkauf die Verantwortung trägt.
Evelyne Rast und Beatrice Rast verfügen beide über ein Nachdiplom-Studium in Unternehmensführung an der Universität St. Gallen. Sie sagen: «Führen heisst entscheiden. Entscheiden im Grossen: Wohin führt der Weg unseres Unternehmens? Doch auch entscheiden im Kleinen: Welchen neuen Kaffee nehmen wir in unserem Sortiment auf. Und entscheiden heisst: in Lösungen denken.»
Wer führt, ist oft alleine. Nicht so im Topsharing. Dann nämlich, wenn die Führung eines Unternehmens paritätisch aufgeteilt und die Verantwortung gemeinsam übernommen wird.
Im Team zu besseren Lösungen
Rast Kaffee wird nach dem Topsharing-Modell geführt. Evelyne Rast und Beatrice Rast bilden zusammen mit Adrian Gisler die Geschäftsleitung. «Wir führen zu dritt, wir entscheiden zu dritt», sagt Evelyne Rast. «Weil wir überzeugt sind, dass sich im Team bessere Lösungen erarbeiten lassen. Wir nützen die Vorteile der gemeinsamen Unternehmensleitung gezielt.» Und Beatrice Rast ergänzt: «Wir vereinen verschiedene Hintergründe und decken gemeinsam ein viel grösseres Kompetenzfeld ab. Und betten so unsere Entscheidungsgrundlagen auch in ein grösseres Gesamtbild ein. Zugleich verfügen wir über ein gemeinsames Führungsverständnis und höchstes gegenseitiges Vertrauen. Das sind die entscheidenden Voraussetzungen für unsere partnerschaftliche Zusammenarbeit in diesem flexiblen Arbeitsmodell.»
Evelyne Rast (links) versteht sich und ihre Mitarbeitenden als lernende Organisation. (Bild zvg)
Zukunft mit Herkunft
Co-Führung mit starken Frauen an der Spitze: Was nach neuer Organisationsform tönt, hat das Familienunternehmen Rast von Anbeginn so praktiziert. Rast Kaffee wurde schon immer gemeinsam und gleichberechtigt im Team geführt – bereits die Eltern, die Grosseltern und die Urgrosseltern von Evelyne Rast und Beatrice Rast haben es so gemacht. Heute ist Rast Kaffee ein Familienunternehmen mit einer mehr als 100 jährigen Geschichte.
Die Lust, ein Unternehmen zu führen, hat Rast’sche Familientradition. «Wir haben schon als Kinder und Jugendliche die Selbstverständlichkeit des Unternehmertums unserer Eltern mitbekommen», so Evelyne Rast. «Darum haben wir Führungsaufgaben nie in erster Linie mit Belastungen verbunden, sondern immer mit Machertum und Entscheidungsfreude. Wir sind uns unserer Verantwortung für das Unternehmen und die Mitarbeitenden bewusst. Doch diese Verantwortung hemmt uns nicht, sondern treibt uns an.»
Evelyne Rast und Beatrice Rast sind in die Führungsaufgabe hineingewachsen, durch ein gründliches betriebswirtschaftliches Studium, durch Managementweiterbildungen und on the job. «Wir sind überzeugt, dass man mit dieser Mischung die unterschiedlichen Dimensionen von Führungsaufgaben erfassen und ihnen gerecht werden kann», sagt Beatrice Rast. «Ein Studium alleine reicht nicht, genauso wie einen in der heutigen Wirtschaftswelt mit ihrem rasanten Wandel Erfahrung alleine nicht mehr zu Führungsaufgaben befähigt.»
Authentizität macht es aus
Führen Männer und Frauen unterschiedlich? «Ich mag dieses Suchen nach allfälligen Unterschieden im Führungsverhalten von Frauen und Männern nicht», stellt Evelyne Rast klar. «Die entscheidende Eigenschaft für eine Führungsperson – egal ob Frau oder Mann – ist immer die Authentizität.» Führung beinhalte sowohl die erlernbare Handwerks- als auch die Talent-Komponente. «Führung kann und muss man lernen. Wichtig sind aber auch emotionale Faktoren. Zusammen bilden erlerntes Führungshandwerk und Soft Skills eine nachhaltige Basis, um ein Unternehmen und seine Mitarbeitenden erfolgreich führen zu können.»
Verantwortung nicht delegierbar
Und wie führen Evelyne Rast und Beatrice Rast ihr Unternehmen, ihre Mitarbeitenden? «Hierarchisch-partizipativ», sind sich die beiden einig. «Hierarchisch, weil ein Unternehmen Führung braucht, weil Verantwortung nicht delegiert werden kann. Gleichzeitig aber partizipativ, weil wir das grosse Wissen und die umfassenden Kompetenzen unserer Mitarbeitenden einbinden wollen. Als lernende Organisation wollen wir Rast Kaffee zusammen mit unseren Mitarbeitenden laufend noch besser machen – immer im Sinne der Unternehmung und unserer Werte, welche wir als Familie und als Unternehmerinnen klar definiert haben. Wir verstehen uns dabei als ‹Team-Leaderinnen›: teamorientiert im Handeln, klar und vorausgehend beim Entscheiden.»
Rast Kaffee AG
Evelyne Rast und Beatrice Rast sind die Inhaberinnen der Gourmet Rösterei Rast Kaffee mit Sitz in Ebikon und führen als Geschäftsleitung zusammen mit Beatrice Rasts Ehemann Adrian Gisler das Familienunternehmen in vierter Generation. Rast Kaffee zählt über 30 Mitarbeitende und gewann 2022 zum zweiten Mal die Auszeichnung «Röster des Jahres».
Weiterführende Infos auf www.rast.ch
