«Heisser Stuhl»: Regierungsrätin Tschuor ist nicht auf den Hund gekommen

Zum ersten Mal setzte sich bei LUZERN 24 mit Michaela Tschuor eine Frau auf den «Heissen Stuhl». Die Luzerner Gesundheits- und Sozialdirektorin musste sich den Fragen von KGL-Direktor Gaudenz Zemp stellen – und tat dies mit grosser Souveränität. Weder brachten Sie Hunde-Frauchen-Vergleiche aus der Ruhe noch kontroverse Themen wie Gesundheitskosten, Lohnerhöhungen oder Arztzeugnisse.

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Um 18.57 Uhr war es soweit: Die Luzerner Regierungsrätin betrat die Bühne und setzte sich auf den grossen, roten Sessel. Dieser hat bei LUZERN 24 Tradition – und man munkelt, der eine oder andere habe in der Nacht vor der Veranstaltung auch schon mal ein Auge weniger zugedrückt. Denn der «Heisse Stuhl» bringt es mit sich, mit Fragen konfrontiert zu werden, die herausfordernd sind. Das Ganze vor grossem Publikum und im Angesicht von Gaudenz Zemp, der die Sache als Interviewer – anders als seine Gäste – immer mit Vorfreude und grosser Gelassenheit angehen kann. Eine Premiere aber gabs diesmal aber auch für den KGL-Direktor: Zum ersten Mal stand – pardon: sass – ihm mit der 46-jährigen Michaela Tschuor nun eine Frau gegenüber.

Die Hunde und ihr Frauchen
Der KGL-Direktor führte gleich zu Beginn trickreich zu einer ersten, augenzwinkernden Provokation heran, indem er bei den Hobbies der Regierungsrätin besonders ihre beiden Hunde hervorhob: einen Havaneser und einen Wachtelhund. Generell sei ja bekannt, dass sich Frauen und Herrchen mit der Zeit immer mehr ihrem Hund angleichen – und umgekehrt. «Der Havaneser, so habe ich im Rassenstandard gelesen, sei nett, freundlich und ein wunderbarer Therapiehund», so Zemp weiter, «bist du auch so nett und hast so ein Wesen, dass allen helfen will?» Tschuor schien ob der originellen Herleitung amüsiert. Ihre kurze Antwort: «Ich bin schon freundlich, aber auch nicht immer nur nett – auch ich habe manchmal meine schlechten Tage.» Doch was ist mit dem zweiten Tschuor'schen Vierbeiner, dem Wachtelhund? «Dieser gilt als mutig, ausdauernd und ist durch seinen Jagdtrieb nicht zu allen gleich nett. Wachtelhunde neigen zudem zu Verhaltensauffälligkeiten, wenn sie nicht gut ausgelastet werden», so Zemp. Also «Neigst du auch zu Verhaltensauffälligkeiten?» Grosses Gelächter im Publikum. «Das kannst du besser beurteilen als ich, Gaudenz – wenn ich da an die letzte Session denke...» Der KGL-Direktor nimmt dieses Zuspiel gerne auf: Er könne also gut und gerne bestätigen, dass sie nicht verhaltensauffällig sei. «Als Regierungsrätin ist das Problem von zu wenig Auslastung ja nicht gegeben.»

Beim Bund gäbe es sicherlich noch Luft nach oben. Bei uns in den Kantonen aber auch.
Regierungsrätin Michaela Tschuor auf die Frage, ob genügend gemacht werde gegen steigende Krankenkassenprämien

Aufreger Krankenkassenprämien
Dass sie als Gesundheitsdirektorin mit den Krankenkassenprämien konfrontiert würde, war zu erwarten. Und so kam es denn auch, als Gaudenz Zemp fragte: «Die Prämien steigen und steigen... und man hat den Eindruck, Bund und Kantone bauen weiter einfach aufs Prinzip Hoffnung, sie beten für ein Wunder. Jetzt mal ehrlich: Macht der Bund genug?» Tschuor meinte, man solle als kantonale Exekutive ja nicht die Bundesebene kritisieren, gab dann aber unumwunden zu: «Beim Bund gäbe es sicherlich noch Luft nach oben.» Und fügte sogleich an: «Aber das gäb’s bei uns in den Kantonen auch.» Aus ihrer Sicht gäbe es durchaus Massnahmen, um den Prämienanstieg zu bremsen. Als Beispiel nannte sie Efas, also die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen. Dieses Vorhaben gilt in der Stossrichtung als vielversprechend, ist aber sehr komplex. Tschuor berichtet von einem Austausch mit einem grossen Krankenversicherer und hält fest. «Kantone und Krankenversicherer sind sich da nicht ganz einig.» Kurzum: «Nein, es wird noch nicht genug gemacht.»

Frust trotz Lohnerhöhungen
Gaudenz legt den Finger auf einen weiteren Brennpunkt: die Löhne. «Es ist Ende Jahr, Unternehmen überlegen sich, ob und in welchem Umfang sie Löhne ihrer Mitarbeitenden erhöhen können.» 1 Prozent wären bei einem durchschnittlichen Luzerner Jahreslohn 700 Franken – also rund 60 Franken mehr pro Monat. «Eigentlich anständig», findet Zemp. Nur: «Beim Arbeitnehmer kommt diese Erhöhung gar nicht als solche an – sie deckt ja gerade mal knapp den Prämienanstieg seiner Krankenkasse. Für uns als Arbeitgeber ist das extrem frustrierend.» Tschuor wird ernst. «Den Frust kann ich absolut nachvollziehen.» Das sei ja nicht nur bei Gewerblern und KMU so, sondern auch im Gesundheitswesen oder bei der kantonalen Verwaltung. Leider, so Tschuor, könne sie da keine schnelle Besserung versprechen. «Aber ich bin überzeugt, wenn die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker sich ein bisschen an der Nase nehmen und Konsens finden würden im Bereich einheitlicher Tarifierung, wären Verbesserungen möglich.» Sie erwähnt in dem Kontext auch mehr ambulante Leistungen oder das Zulassen innovativer Versorgungsmodelle, die günstiger sind als es heute Tarife vorgeben. Wichtig sei überdies die Gesundheitsförderung sowie die Eigenverantwortung jedes einzelnen. Denn – da sind sich Fragesteller und Regierungsrätin einig: Alles immer nur über Prämienverbilligungen abzufedern – dieses Modell taugt für die Zukunft nicht. 4,48 Milliarden Franken wurden dieses Jahr in der Schweiz an Prämienverbilligungen ausbezahlt. «Und linke Kreise fordern: Die Kantone sollten noch mehr Verbilligungen zahlen», so Zemp, «aber sie haben ja gar kein Geld. Das einzige, was sie tun können, ist, Steuergelder zu nehmen und umzuverteilen. Heisst also: Unternehmen bezahlen mit ihren Steuern grad auch noch die Prämienverbilligungen mit. Findest du das fair?» Tschuor kontert: «Nein, finde ich nicht fair. Es gibt jedoch ein Aber...» Die Prämienverbilligungen seien keine Langfristlösung, auf kürzere Sicht müsse man sie aber als «Solidarbeitrag» betrachten und akzeptieren. «Ich finde wirklich nicht, dass Prämienverbilligungen das Nonplusultra sind.» Besser, so hört man heraus, wäre sicher, man würde sich um die Ursachen des Problems kümmern, statt um dessen Folgen.

Ärger mit Arztzeugnissen
Gaudenz Zemp erwähnt im Kontext der Prämien auch die Ärzte – und damit die Arztzeugnisse. Eine eigene Erfahrung aus einer Projektgruppe mit Ärzteverband und Arbeitgebern am Tisch hat den KGL-Direktor vor einigen Jahren ziemlich ernüchtert. «Es ging darum, Missbräuche mit Arztzeugnissen zu minimieren.» Fazit Zemp: Keine Chance. Nach drei Sitzungen sei abgebrochen worden. Denn der Ärzteverband habe keine Möglichkeit gesehen, seine Ärzte zu disziplinieren. «Ist das Thema auch bei dir auf der Agenda, Michaela?» Die Regierungsrätin bejaht. «Es ist mir bekannt aus der Zeit, als ich noch im KMU meines Mannes mitgerarbeitet habe. Natürlich wird man mit der Zeit auch mal ‹hellhörig›, wenn gewisse immer wieder mit einem Arztzeugnis ankommen.» Der Verdacht von Gefälligkeitszeugnissen stehe manchal im Raum. Bei der kantonalen Verwaltung sei sie zu diesem Thema im Austausch, insbesondere mit dem Kantonsarzt. Ein Projekt aus dem Kanton St. Gallen verfolge sie mit Interesse, erzählt Michaela Tschuor: Hier soll unter Einbezug aller Beteiligten ein Formular erarbeitet werden, das mehr Transparenz ermöglicht und  mehr Dialog schafft. Kern des Bestrebens, vereinfacht erklärt: Arbeitnehmende sollen ankreuzen können, ob der Arbeitgeber nachfragen darf, was los ist.

Nach einigen weiteren Themen hiess es dann auch von Gaudenz Zemp: Genug der Nachfrage. Michaela Tschuor wurde     vom «Heissen Stuhl» erlöst – und mit einem lauten Applaus bedacht.

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