«Ich setze auf den Impfstoff im Frühling»

Um die Lage rund um Covid-19 in den Griff zu bekommen, hat der Bund Ende Oktober verschärfte Massnahmen angeordnet. Zu Recht, findet Luzerns Gesundheits- und Sozialdirektor Guido Graf. Doch was bedeutet das für die Wirtschaft?

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Guido Graf, wie ist der aktuelle Stand rund um Corona im Kanton Luzern?

Stand 4. November 2020 verzeichneten wir 314 Neuinfektionen. Insgesamt wurden im Kanton Luzern bislang knapp 5700 Personen positiv auf Corona getestet. 40 Menschen sind im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Zurzeit befinden sich 2400 Personen in Isolation, knapp 1070 in Quarantäne.

Beunruhigen Sie diese Zahlen?

Die gesamte Entwicklung rund um Corona ist sehr unerfreulich. Es gibt aber wichtigere Kennziffern als die Zahl der Neuinfektionen, auch wenn diese natürlich ein wichtiger Indikator bleibt. Zum Beispiel die Positivitätsrate, also die Quote der positiv getesteten Personen, die zurzeit bei knapp 20 Prozent liegt. Oder die Reproduktionszahl, die aussagt, wie viele Personen von einer infizierten Person angesteckt werden – aktuell knapp 1,5. Diese Zahlen müssen wir in den nächsten Wochen deutlich senken. Ganz wichtig ist für uns auch die Zahl der Personen, die sich gerade in Spitalpflege befinden. Aktuell sind das 100 Covid-19-Patienten, wovon 13 Personen auf der Intensivstation liegen und beatmet werden müssen.

Was, wenn sich die Situation in den nächsten Wochen verschlechtert?

Die Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren der Zentralschweiz haben gemeinsam ein Dispositiv erarbeitet. Dadurch wissen wir genau, wo wie viele Betten verfügbar sind und wir können uns gegenseitig aushelfen. Für den Notfall haben wir zudem die Möglichkeit, auf das Medical Center Lucerne (MCL) in Nottwil zurückzugreifen, das wir im Frühling auf die Beine gestellt hatten und bei Bedarf innerhalb von wenigen Tagen erneut errichten können. Was die Versorgungssicherheit angeht, so liegt unsere grösste Herausforderung im personellen Bereich. Das notwendige Personal für den Betrieb des MCL rekrutieren zu können, ist eine Herausforderung.

Wenn die Lage ganz prekär wird, ist zu prüfen, ob wir die Quarantänezeit verkürzen können.
Guido Graf, Gesundheits- und Sozialdirektor Kanton Luzern

Diese Angst breitet sich auch in der Wirtschaft aus. Unternehmer befürchten, dass bald mehr Mitarbeitende in Quarantäne sind als an ihrem Arbeitsplatz.

Das wird kaum geschehen. Erstens hat der Bund die Länder-Risikoliste drastisch reduziert. Zweitens haben wir heute die Möglichkeit der Schnelltests, die nach rund 15 Minuten das Testergebnis anzeigen. Und wenn die Lage ganz prekär wird, ist zu prüfen, ob wir die Quarantänezeit verkürzen können, sodass die Erwerbstätigen schneller wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren können – dies müsste jedoch vom Bund her geregelt werden. Die Quarantänezeit kostet die Wirtschaft ohnehin schon sehr viel Geld.

Wirtschaftszweige wie die Hotellerie, Gastronomie oder Eventbranche leiden besonders stark unter der aktuellen Situation. Viele Betriebe überlebten im Frühling schon nur dank staatlicher Unterstützung. Wie lange ist das noch möglich?

Die öffentliche Hand hat die Aufgabe, gewisse Firmen oder Branchen zu erhalten, die systemrelevant sind. Wir werden es uns nicht leisten können, Grossveranstalter sterben zu lassen. Doch wir müssen langsam von der Haltung wegkommen, dass jede Firma zwingend vor dem Konkurs bewahrt werden kann und muss. Denn eines ist klar: Es wird in vielen Branchen zu einer Bereinigung kommen, die es früher oder später auch ohne Corona gegeben hätte.

Das gilt wahrscheinlich auch für den Detailhandel. Der Detaillistenverband hat Sie scharf kritisiert, als Sie – noch vor dem Bund – eine generelle Maskenpflicht in den Geschäften eingeführt haben.

Wenn Sie als Gesundheitsdirektor die Verantwortung für die Luzerner Bevölkerung tragen, dann lösen unsere Anordnungen auf der einen Seite Freude aus, auf der anderen Frust. Für die Detaillisten habe ich ein gewisses Verständnis. Wir strebten ursprünglich eine differenzierte Lösung an und wollten die kleineren Geschäfte von der Maskenpflicht befreien. Zwischenzeitlich ist die zweite Welle aber auch im Kanton Luzern mit grosser Wucht angekommen. Darum mussten wir strikter vorgehen.

Welches sind zurzeit die grössten Ansteckungsherde?

Die Familie, private Feste und Veranstaltungen. Man muss bedenken, dass in jeder Familie jemand arbeitet, einkauft oder in den Ausgang geht. Es findet also ein grosser Austausch statt, der das Ansteckungsrisiko erhöht, umso mehr, wenn die Abstände nicht eingehalten und keine Schutzmasken getragen werden.

 

Glauben Sie, dass Bund und Kantone mit ihren Massnahmen auf dem richtigen Weg sind?

Ja. Die aktuelle Strategie, die wir in enger Absprache mit dem Bund umsetzen, ist meiner Ansicht nach richtig. Sie beruht auf dem Grundsatz, dass eine Wirtschaft nur funktionieren kann, wenn die Bevölkerung gesund ist. Und die Bevölkerung kann nur gesund sein, wenn sie arbeiten kann und es daneben auch ein gesellschaftliches Leben gibt. Darum kommt für mich und die Gesamtregierung ein Lockdown wie im Frühling nur als allerletztes Mittel in Frage.

 

Sehen Sie irgendwo einen Lichtblick am Horizont?

Ja, ich freue mich auf den Frühling und Sommer 2021. Einerseits, weil dann die Temperaturen steigen, was dem Virus nicht gut bekommt. Andererseits, weil wir dann aller Voraussicht nach einen Impfstoff haben. Dadurch verspreche ich mir eine weitere Entspannung. Trotzdem: Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben. Und wir müssen auch in Zukunft auf drei Dinge besonders achten: Eine gute Handhygiene, genügend Abstand zueinander und das Tragen von Schutzmasken.

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