Sie sind seit gut einem Jahr Luzerner Bildungsdirektor. War dieses aus Ihrer Sicht erfolgreich, Armin Hartmann?
Mein erstes Amtsjahr war sehr erfolgreich. Ich bin im BKD gut aufgenommen worden, habe mir schnell einen Überblick verschafft, viele Kontakte im Bildungs- und Kulturbereich geknüpft oder vertieft und Entscheide getroffen.
Was erachten Sie als besonders gelungen?
Meine Strategie «hinaus zur Basis zu gehen» wurde wahrgenommen und geschätzt. Es gab viele wertvolle Begegnungen. Besondere Akzente habe ich in der Berufsbildung gesetzt, gerade bei der Höheren Berufsbildung und bei der Vernetzung zwischen Berufsbildung und Hochschulen. Die Projekte «Attraktivierung Lehrberuf», «Weiterentwicklung gymnasiale Maturität», «regionale Kulturförderung» und «Neues Luzerner Theater» haben allesamt einen Schritt vorwärts gemacht. Schliesslich ehrt es mich, dass ich in den Vorstand der eidgenössischen Erziehungsdirektorenkonferenz gewählt wurde.
Was hat Sie geärgert?
Ärgern ist das falsche Wort. Besondere Herausforderungen gab es im Bereich der Sonderschulen und im Zusammenhang mit personellen Ausfällen. Mediale Aufmerksamkeit wie bei der Nichtverlängerung des Mietvertrags des Kleintheaters durch die LUPK oder bei der Absage des Netrebko-Konzertes im KKL – das gehört zum Tagesgeschäft mit dazu.
Das Bildungssystem unterscheidet zwischen Tertiär A und B. Was genau ist der Unterschied?
Der Tertiärbereich A umfasst die universitären Hochschulen (inkl. ETH), die Fachhochschulen sowie die Pädagogischen Hochschulen. Zum Tertiärbereich B zählen die eidgenössischen Berufs- und höheren Fachprüfungen sowie die Höheren Fachschulen.
Sie sind künftiger Präsident des Universitätsrates und Präsident des Konkordatsrates der Hochschule. Dagegen haben Sie in der höheren Berufsbildung keine Funktion. Liegt Ihnen da Tertiär A nicht viel näher?
Nein. Es ist ein bewusster Entscheid des Kantons, dass der Bereich Tertiär B von privaten Organisationen getragen werden soll. Deshalb ist es aus Governance-Gründen richtig, dort keine Funktion zu übernehmen. Die Höhere Berufsbildung hatte in den letzten Jahrzehnten politisch nur wenig Gewicht. Ich habe mir zum Ziel gesetzt, sie aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.
Im Tertiär-A-Bereich zahlt der Staat die Kosten praktisch vollständig, im Tertiär-B-Bereich fällt der Grossteil dem Einzelnen zu. Ist das fair?
Der Staat hat seine Finanzierung im Bereich Tertiär B in den vergangenen Jahren deutlich ausgebaut. Während die Höheren Fachschulen bereits länger zu einem wesentlichen Teil von den Kantonen finanziert werden, beteiligt sich der Bund seit 2018 im Rahmen einer Subjektfinanzierung direkt an vorbereitenden Kursen für eine eidgenössische Berufs- oder höhere Fachprüfung. Damit konnte die historisch bedingte Unfairness stark reduziert werden. Eine gewisse Differenz müssen wir angesichts der unterschiedlichen Settings aushalten.
Wie müsste sich die höhere Berufsbildung organisieren, damit sie politisch kraftvoller wird
Mit der Gründung der Interessengemeinschaft Höhere Berufsbildung (IG HBB) wurde ein erster wichtiger Schritt gemacht. Nun braucht es einen regelmässigeren Austausch mit den politischen Entscheidungsträgern. Der Kanton wird die Regelungen zur HBB in seinen gesetzlichen Grundlagen überarbeiten müssen. Dort geht es auch darum zu klären, wie die Zusammenarbeit zwischen den Bildungsinstitutionen und dem Kanton funktionieren soll.
Die Universität Luzern wurde ursprünglich für eine überschaubare Anzahl an Studierenden konzipiert. Inzwischen ist sie auf 3'500 Studierende angewachsen. In welchem Bereich verorten Sie die Anzahl Studierender in fünf Jahren?
Mit den zwei neuen Fakultäten wird es zu einem Wachstum von ungefähr 600 Studierenden kommen. Sie runden das humanwissenschaftliche Profil der Universität Luzern ab. Daneben wird die Universität langsam, aber stetig wachsen. In fünf Jahren erwarte ich ungefähr 4'300 Studierende.
Kann sich der Kanton weiteres Wachstum bei der Uni und der Hochschule Luzern leisten?
Weiteres Wachstum ist vorgegeben – nur schon wegen der steigenden Schülerzahlen. Aber auch das attraktive Angebot mit dem humanwissenschaftlichen Fokus sowie der Impuls von Kooperationen oder extern getragenen Instituten (z.B. Blockchain-Paket des Kantons Zug) wird mehr Studierende nach Luzern bringen. Der Kanton Luzern ist finanziell gut aufgestellt. Die freien Mittel muss er dafür einsetzen, dass der Standort attraktiv bleibt. Dazu gehören auch attraktive Bildungsangebote. Das kann und muss sich der Kanton Luzern leisten.
Die höhere Berufsbildung fordert die Einführung eines Professional Bachelor bzw. Professional Master. Unterstützen Sie diese Forderung?
Ich unterstütze die Einführung dieser Titelzusätze – und habe das auch öffentlich bekannt gemacht. Sie steigert die Wertschätzung gegenüber den qualitativ hoch stehenden Lehrgängen der HBB und führt zu einer besseren internationalen Vergleichbarkeit. Beides ist dringend nötig. Ausserdem wahrt die Verwendung als Titelzusatz die historischen Vorrechte der Hochschulen.
Wo steckt dieses Projekt auf nationaler Ebene?
Aktuell läuft die Vernehmlassung. Die Kantone sind sich leider noch nicht einig. Dennoch bin ich optimistisch, dass wir im eidgenössischen Parlament eine Mehrheit erreichen können.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Berufslehre in den nächsten Jahren?
Die Berufsbildung ist die Nummer 1 des Bildungssystem auf Sek-Stufe II. Und das soll auch so bleiben. Wir müssen deshalb sicherstellen, dass sich weiterhin rund drei Viertel der Schulabgängerinnen und Schulabgänger für die Berufsbildung entscheiden. Weiter gilt es, Verschulungstendenzen zu verhindern, die Durchlässigkeit sicherzustellen und die Kooperation mit den Hochschulen weiter voranzutreiben. In allererster Linie müssen wir aber sicherstellen, dass wir auch in Zukunft genügend Betriebe haben, die Ausbildungsplätze anbieten.
Wo steckt die Einführung des vom KGL angestossenen kantonalen Berufsbildungsfonds?
Wir haben intern erarbeitet, wie wir uns die Einführung vorstellen und werden sie im September einem grösseren Publikum des KGL vorstellen. Wenn das Konzept gut aufgenommen wird, werden wir die Vorlage rasch finalisieren und die Vernehmlassung vorbereiten.
