«Man sollte immer einen Puffer für Unvorhergesehenes miteinplanen»

Als Coach und Programmleiter des Zentralschweizer Start-up-Programms «zünder» hat Silvan Küng schon zahlreiche Gründerinnen und Neuunternehmer auf dem Weg in die Selbstständigkeit begleitet. Im Interview mit dem KMU-Magazin spricht er über falsche Erwartungen, unterschätzte Details – und darüber, was es braucht, um sich mit seinem Produkt oder seiner Dienstleistung am Markt durchzusetzen.

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Silvan Küng, welche typischen Fehler beobachten Sie bei Jungunternehmern in den ersten Jahren nach der Gründung am häufigsten?
Ein häufiges Problem bei Jungunternehmern ist, dass sie sich in zu vielen Ideen und Möglichkeiten verlieren. Start-ups müssen einen klaren Fokus haben. Während es im Team hilfreich sein kann, den Blickwinkel zu erweitern und Freiräume zu schaffen, ist es gerade für Einzelgründer sehr entscheidend, sich darüber klar zu sein, was die neue Firma leisten soll – und was auch nicht.

Gibt es bestimmte Themen oder Bereiche, die von Gründern häufig unterschätzt werden?
Ja, besonders die Finanzierung, das Cashflow-Management, das Innovationspotenzial des Business Case und die Skalierbarkeit werden oft unterschätzt. Viele Gründer sind sich der Herausforderungen, die mit einem schnellen Wachstum und dem Eintritt in neue Märkte verbunden sind, nicht vollständig bewusst. Da versuchen wir Ihnen als Berater zu helfen – wo nötig auch: die Augen etwas zu öffnen für die Realitäten, mit denen sie konfrontiert sind – oder noch sein werden.

Klingt danach, als würden sich einige zu Beginn überschätzen oder in gewissen Belangen zumindest zu optimistisch sein. Welche Beispiele sind Ihnen geläufig?
Gerade Erstgründer neigen dazu, ihre Umsatzprognosen und Wachstumsraten anfänglich zu überschätzen. Es fehlt häufig an einem soliden Plan B, insbesondere in Bezug auf die Lieferkette und das Partnernetzwerk. Auch der Markteintritt im Ausland wird oft mit weniger Aufwand eingeschätzt als dann tatsächlich erforderlich ist.

Wie können Gründer sicherstellen, dass sie ihre finanzielle Planung realistisch gestalten und nicht in eine Liquiditätsfalle geraten?
Es ist wichtig, in verschiedenen Szenarien zu planen: Üblicherweise spricht man vom «Best», «Most Likely» und «Bad» Case – also dem bestmöglichen Szenario, dem wahrscheinlichsten Szenario und dem schlechtesten/ungünstigsten Szenario. Um festzustellen, in welche Richtung man sich mit dem eigenen Unternehmen entwickelt, ist ein kontinuierliches Controlling der Performance unerlässlich. Partner sollten ins Risiko einbezogen werden, Margen und Kosten müssen sauber kalkuliert werden, und es sollte immer ein Puffer für Unvorhergesehenes miteingeplant sein. Ausserdem sollten Gründer nicht alles selbst machen, sondern in Bereichen, die nicht zu ihren Kernkompetenzen gehören, auf gute, verlässliche Partner setzen.

Welche rechtlichen Fallstricke übersehen Jungunternehmer häufig und wie kann man sich davor schützen?
Wir stellen fest, dass Neugründer bei der Antizipation möglicher Risiken oder Probleme oft durchaus umfassend sind – dabei aber gern die eigene Organisation vergessen oder zu wenig berücksichtigen. Was ist zum Beispiel, wenn einer der Gründer plötzlich aussteigt? Oder wenn einer weniger für das Start-up arbeiten will? Wie sieht es mit Gewinnbeteiligungen, Überstundenvergütungen oder Bezügen aus? Es ist wichtig, von Anfang an eine gemeinsame Wertebasis zu schaffen und zukünftige Szenarien – auch schwierige – miteinzuplanen. Saubere Arbeitsverträge und klare Regelungen zur Verteilung von Anteilen sind entscheidend, um später bösen Überraschungen vorzubeugen. Bei einer AG empfiehlt sich zum Beispiel auch ein umfassender Aktionärsbindungsvertrag – schon von Anfang an.

Was sind die wichtigsten Faktoren, um eine Geschäftsidee nachhaltig am Markt etablieren zu können?
Gründer sollten unbedingt frühzeitig testen, ob sie wirklich ein Problem lösen und ob es bereits andere Lösungen auf dem Markt gibt. Es ist zudem essenziell, genau zu wissen, wer der potenzielle Kunde des eigenen Produktes ist und ob er bereit ist, für das Angebot zu bezahlen. Die Kernkompetenzen innerhalb der Firma sollten klar definiert sein, und es sollte in diesem Zusammenhang auch bewusst entschieden werden, welche Aufgaben extern vergeben werden, was dies kostet und wie die Zusammenarbeit mit Partnern/Zulieferern generell geregelt wird.

Oft hört man von «skalierbaren» Geschäftsmodellen, insbesondere weil solche für Geldgeber und Investoren besonders interessant sind. Was ist mit «Skalierbarkeit» konkret gemeint?
Vereinfacht gesagt geht es darum, welche Umsätze und Kunden mit den vorhandenen Ressourcen gewonnen werden können. Mit diesen Erkenntnissen lassen sich dann fundierte Entscheidungen treffen, wie und mit welchem Budget man noch mehr Kunden gewinnen kann. Dieser Ansatz folgt dem «Bottom-up-Prinzip» – man plant also von unten nach oben, ergo: vom Startpotenzial hin zum maximal möglichen. Dabei ist es wichtig, sich realistische Ziele zu setzen und diese dann auch zu erreichen – oder bestenfalls gar zu übertreffen. Eine übertriebene Skalierung kann hingegen schädlich sein, wenn das Unternehmen nicht nachhaltig wächst. Es gilt hier eine realistische, gute Balance zu finden. Man sollte zudem bedenken, dass eine Skalierung kostspielig und selten aus dem Operativen finanzierbar ist. Entsprechend ist es wichtig dass dann solche Start-ups auf Grund der Finanzierungsaussicht nicht ins Ausland abwandern.

Eine Frage, mit der sich wohl (fast) jeder Gründer irgendwann konfrontiert sieht: Wie schaffe ich den Übergang von der «Alles-alleine-machen»-Mentalität hin zu einer erfolgreichen Teamführung?
Einzelgründer haben es schwer. Es ist wichtig, um sich herum ein Team mit komplementären Fähigkeiten aufzubauen und dieses gegebenenfalls sogar zu Mitinhabern zu machen. Die Herausforderungen am Markt sind komplexer geworden, und die Kommunikation mit Kunden und Stakeholdern wird immer wichtiger, um langfristig als Marke präsent zu bleiben. Alle Disziplinen als Einzelperson abzudecken, ist über kurz oder lang fast unmöglich. Es sei denn natürlich, man positioniert sich von Beginn an als Einzelunternehmung und hat ein darauf ausgelegtes Geschäftsmodell. Also beispielsweise freischaffender Texter, Berater, Coach oder dergleichen. Als Firma aber geht es darum, Kompetenzen ins Team zu holen – und sie dort zu bündeln.

Wann ist es Zeit, externe Unterstützung heranzuziehen – etwa durch eine Beratung, wie Sie und die Plattform «zünder» sie anbieten?
Ich sage immer: Kein Unternehmer ist ein Alleskönner. Es ist daher wichtig, sich Inspiration von anderen zu holen und sein Wissen kontinuierlich zu erweitern. Visionäre Eigenschaften kann man nicht erlernen, aber man sollte sich bemühen, diese durch den Austausch mit Gleichgesinnten zu pflegen und weiterzuentwickeln. Der Austausch mit erfahrenen Unternehmern, anderen Start-ups, einem Mentor oder Coach ist daher von unschätzbarem Wert. In diesem Zusammenhang spielen auch Netzwerke oder Verbände – wie etwa hier in Luzern der KGL – eine wichtige Rolle.

Welche unternehmerischen Fähigkeiten sind für den langfristigen Erfolg besonders wichtig?
Die Vision nicht zu verlieren ist entscheidend. Gründer müssen sich darauf einstellen, dass sie oft Rückschläge hinnehmen müssen und nur selten Anerkennung für ihre harte Arbeit bekommen. Sie müssen für sich und ihre Kunden alles geben und auch bereit sein, Hilfe anzunehmen. Ausserdem ist es bei gewissen Start-ups zentral, nicht nur für Investoren zu arbeiten, sondern das Beste aus deren Investment herauszuholen. Ein kurzfristiger Hype sollte nie – oder zumindest nie zu lange – im Vordergrund stehen,  sondern immer der langfristige Erfolg.


zünder ist ein zentralschweizer Startup-Programm, das unter anderem von der Hochschule Luzern, den Zentralschweizer Kantonalbanken, der Axon Gruppe  sowie weiteren namhaften Partnern unterstützt wird. Alle Infos & Angebote finden Sie auf:

zuender.ch

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