
Dürfen sich seit dem Sieg bei den World Skills in Russland «Berufs-Weltmeister» nennen: Die beiden Landschaftsgärtner Fabian Hodel (rechts) und sein Kollege Mario Enz.
Rund 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 85 unterschiedlichen Berufen: Die «Swiss Skills» haben sich als offizielle Berufsmeisterschaft der Schweiz etabliert – und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Doch was bringt es konkret, wenn man sich Berufs-Schweizermeister nennen darf? «Sehr viel», sagt Roland Hirsbrunner von Swiss Skills. In der Vergangenheit die renommierte Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Margrit Stamm zwei Studien mit Teilnehmenden durchgeführt. Diese zeigen vielfältige positive Effekte.
Gut fürs CV – aber nicht nur
«Unbestritten ist natürlich, dass sich ein guter Rang oder gar ein Titel beim nationalen Wettbewerb einen hervorragenden Eindruck im eigenen Lebenslauf macht», sagt Hirsbrunner. Noch grösser wird der positive Effekt natürlich, wenn die Berufsleute nach dem Schweizermeister-Titel auch noch an kontinentalen oder weltweiten Wettbewerben glänzen – also an European Skills oder World Skills. «Solche Leute steigern ihren Stellenwert in der Branche und im eigenen Unternehmen natürlich noch zusätzlich», so Hirsbrunner. «Nicht wenige von Ihnen werden schon innert weniger Jahre in die Geschäftsleitung ihres Betriebs berufen – oder machen den Schritt in die Selbstständigkeit.» Der Titel kultiviert also nicht nur ihre beruflichen Fertigkeiten – er wirkt durchaus auch als Booster für die eigene Karriere.
Einmalige Erfahrung, persönliche Entwicklung
Erfolge und Titel allein stehen allerdings nicht im Zentrum des Bestrebens, wie man bei Swiss Skills betont. Allein schon die Teilnahme bringe jungen Berufsleuten einen enormen Mehrwert, sagt Roland Hirsbrunner – und zählt einige Punkte auf, welche auch aus den Studien von Prof. Dr. Stamm hervorgingen:
• Die Teilnehmer erhalten externes Feedback und eine Experten-Beurteilung ihrer Arbeit
• Sie können sich mit den besten Leuten aus dem eigenen Beruf messen und dabei Arbeits- oder Herangehensweisen vergleichen
• Sie lernen unter Druck zu arbeiten und fördern damit ihre Stress-Resistenz
• Sie erleben einen einmaligen Austausch mit Gleichgesinnten sowie Experten aus der eigenen Branche – aber auch aus anderen Bereichen
• Sie knüpft Freundschaften und erweitert ihr berufliches Netzwerk
• Ihnen bietet sich (zu Nicht-Coronazeiten) ein einmaliges Erlebnis beim Arbeiten live vor Publikum
Meistens führt der Weg an die Swiss Skills über den eigenen Betrieb oder die Berufsschule, die zur Teilnahme motivieren. Aber auch Anmeldungen auf eigene Faust sind teilweise möglich. «Oft wissen junge Leute gar nicht, dass es für ihren Beruf überhaupt eine Meisterschaft gibt – wir arbeiten deshalb daran, die Swiss Skills noch bekannter zu machen», so Hirsbrunner. In vielen Branchen werden potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten auch direkt angeschrieben und eingeladen. Es sind Berufsleute, die während ihrer Ausbildung durch besondere Leistungen auffallen.
Das Können zählt mehr als die Schulnote
Wer nun aber denkt, dass nur Musterschüler eine Chance auf einen Titel an den Swiss- oder gar World-Skills haben, der irrt. «Gerade in handwerklichen Berufen hat ein beträchtlicher Prozentsatz von bisherigen Titelträgerinnen- und trägern bei Nachbefragungen angegeben, dass ihre Berufsschulnoten nicht überdurchschnittlich gewesen seien», sagt Hirsbrunner. Gut so, findet er. Denn: «Wenn zum Beispiel ein Schreiner in seinem Handwerk absolute Exzellenz an den Tag legt, ist es doch zweitrangig, ob er nun in klassischen Schulfächern glänzt oder nicht... Was zählt ist das Können und die Leidenschaft für den Beruf.»
Skill 37 brachte Gold
Einer, der es durch seine Leidenschaft und sein Können zu Medaillen-Ehren gebracht hat, ist Fabian Hodel. Der heute 24-Jährige aus Oberkirch nahm 2018 an den Swiss Skills teil. «Ich bekam von unserem Branchenverband die Einladung zu einem Info-Anlass und dachte, okay, das schau ich mir mal an», erinnert sich Hodel, der seine Lehrzeit bei der Brechbühl Gartenbau GmbH in Oberkirch absolviert hat. Die Vorausscheidung zur Schweizer Meisterschaft bestritt er noch als Einzelkämpfer – für die Swiss Skills tat er sich dann mit Berufskollege Mario Enz zu einem 2er-Team zusammen. Die beiden gewannen – und qualifizierten sich so für die Berufsweltmeisterschaften, die 2019 im russischen Kazan stattfanden. «Hunderte Stunden» hätten sie zusammen trainiert, erzählt Hodel. Die beiden haben Steinbrüche aufgesucht, dort verschiedene Steine bearbeitet, haben in Schreinerei-Betrieben die Bearbeitung und Handhabung von Hölzern geübt, und vieles mehr. «Man weiss nicht genau, was für eine Aufgabe einen am Wettkampf erwartet», sagt Hodel. In ihrem Wettkampf, Skill Nummer 37 «Landscape Gardening», mussten die beiden in Russland schliesslich den vorgegebenen Plan eines Gartens präzise und innovativ umsetzen – in einem Feld von 6x7 Metern, mit einem Zeitlimit von 21 Stunden. Ihre Arbeit hat die Jury offensichtlich beeindruckt: Das Schweizer Team holte Gold – seither dürfen Hodel und Enz sich Landschaftsgärtner-Weltmeister nennen.
Selbstsicherheit und Ansehen steigen
«Mit dem Titel haben wir uns in unserer Branche natürlich einen Namen gemacht», resümiert Fabian Hodel heute. Die Vorteile der Teilnahme, von denen Roland Hirsbrunner von Swiss Skills erzählt, kann er bestätigen. «Es ist bringt einem wirklich enorm viel». Die Erfahrungen und der Erfolg würden die eigene Entwicklung, das Auftreten und auch das Selbstbewusstsein fördern. «Man merkt, dass man gut ist in dem was man tut – das hat, gerade in jungen Jahren, natürlich einen sehr positiven Einfluss.» Tatsächlich hätten sowohl er als auch Kollege Enz nach dem WM-Titel Job-Angebote von anderen Unternehmen erhalten. Fabian Hodel hat diese aber abgelehnt. Er arbeitete noch ein Jahr in seinem Lehrbetrieb in Oberkirch weiter und hat nun ein Studium zum Gartenbau-Techniker HF begonnen. «Ich weiss nicht, ob ich mir eine solche anspruchsvolle Kader-Ausbildung schon jetzt, in meinem jungen Alter, zugetraut hätte, ohne die Erfahrungen aus diesen Berufsmeisterschaften», sagt er. Die Erfolge hätten ihn sicherlich darin bestärkt, den nächsten Schritt auf seinem Karriereweg zu gehen. Andere Kolleginnen und Kollegen aus der 40-köpfigen Schweizer Delegation in Kazan hätten sich inzwischen selbstständig gemacht oder in den eigenen Unternehmen gute Positionen besetzt. «Ich kann also jeder und jedem raten, an den Swiss Skills teilzunehmen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.»
Infos und Anmeldung zu den Swiss Skills 2022 in Bern:
swiss-skills2022.ch