Das Bundesgericht präzisiert seine Rechtsprechung zur Frage, ob der Mieter oder Vermieter im Streitfall zu beweisen hat, ob der Anfangsmietzins für eine Altbauwohnung im Vergleich mit orts- oder quartierüblichen Mietzinsen missbräuchlich ist.
Unbefriedigende Praxis
Das Bundesgericht veröffentlichte am 7. Juni 2021 ein Urteil über eine Anfechtung des Anfangsmietzinses. Konk-ret ging es um eine 2-Zimmerwohnung in Zürich, deren Mieterin den Anfangsmietzins als missbräuchlich anfocht. Die Vermieterin hatte den Mietzins auf CHF 1060.00 angesetzt, der Mietzins der Vormieterin betrug CHF 738.00. Es handelte sich dabei um ein knapp 20-jähriges Mietverhältnis, nennenswerte Mietzinsanpassungen fanden während des Mietverhältnisses keine statt. Die Vermieterin hatte die Mietzinserhöhung mit einer Anpassung an die orts- und quartierüblichen Verhältnisse begründet. Die Mieterin war mit dem Begehren an die Schlichtungsbehörde gelangt, den Anfangsmietzins für missbräuchlich zu erklären. Im Verfahren reichte die Vermieterin ein Gutachten vom Schweizer Verband der Immobilienwirtschaft und Swiss Real Estate Institute mit 23 Objekten ein, die hinsichtlich Grösse, Lage und Ausstattung vergleichbar waren. Die Vergleichsobjekte wiesen einen durchwegs höheren Mietzins auf.
Vermutung der Missbräuchlichkeit
In der Praxis kann bei einer Erhöhung des Anfangsmietzinses von mehr als 10 Prozent eine Missbräuchlichkeit vermutet werden. Nach der bisher geltenden Rechtsprechung oblag es dem Vermieter zu beweisen, dass eine erhebliche Erhöhung des Anfangsmietzinses nicht missbräuchlich war. Nach dem neuen, nun vorliegenden Bundesgerichtsurteil muss der Vermieter diesen Beweis nicht mehr erbringen. Er kann sich mit dem Nachweis von Zweifeln an der Richtigkeit der Vermutung begnügen. Relevant dabei ist, dass sich dieser Nachweis von Zweifeln nicht mehr auf amtliche Statistiken oder exakte Vergleichsobjekte stützen muss, obwohl dies in Art. 11 VMWG verlangt wird. An die Vergleichbarkeit der Objekte ist in Bezug auf die relevanten Kriterien nicht mehr der gleich strenge Massstab wie beim eigentlichen Nachweis der Orts- und Quartierüblichkeit anzulegen, da es lediglich darum geht, begründete Zweifel an der Richtigkeit der Vermutung der Missbräuchlichkeit zu wecken. Somit kann auch ein Privatgutachten, wie das vorstehend erwähnte Gutachten vom Schweizer Verband der Immobilienwirtschaft und Swiss Real Estate Institute, dafür geeignet sein.
Mehr Praxistauglichkeit
Für Vermieterinnen und Vermieter ergibt sich daraus eine praxistauglichere Regel zur Beweisbarkeit der Orts- und Quartierüblichkeit. Handelte es sich doch bisher um einen Nachweis, der aufgrund der geforderten, exakten Vergleichsobjekte oder amtlichen Statistiken kaum zu erbringen war.
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