Als vor fast zwei Jahren Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist und Frankreich die Hälfte aller Atomreaktoren wegen Wartungs- und Reparaturarbeiten ausser Betrieb setzte, verteuerten sich mit Gas, Heizöl und dem Strom verschiedene Energieträger. «Dass der Strompreis unter diesen Gegebenheiten anstieg, war für mich nachvollziehbar. Und deshalb habe ich das auch mitgetragen», bemerkt Philipp Wiprächtiger.
Die bereits auf den letzten Winter befürchtete Strommangellage ist bis dato aber nicht eingetreten. Denn die Gasspeicher sind mittlerweile gut gefüllt und an der Strombörse sind die Preise zum Jahresende so tief gefallen (9,5 Rappen pro Kilowattstunde für die nächten 12 Monate) wie seit Beginn der Ukraine-Krise nicht mehr. Die Axpo, Mehrheitsaktionärin der CKW AG mit Sitz in Luzern, fuhr im Geschäftsjahr 2022/23 einen Gewinn von fast 3,4 Milliarden Franken ein und bat den Bund im Dezember darum, den im Jahr zuvor ausgespannten Rettungsschirm aufzulösen. Nur so darf sie Boni und Dividenden ausschütten.
50 Prozent mehr gegenüber 2023
Von der Preisentspannung an der Strombörse bekommen die KMU und Haushalte in den allermeisten der 80 Luzerner Gemeinden (siehe Tabellenübersicht) nichts zu spüren. Im Gegenteil: Der Stromtarif steigt fast überall, wenn auch nur leicht. Einer, den es schon auf 2023 hart getroffen hat, ist Philipp Wiprächtiger vom gleichnamigen Fleischverarbeitungsbetrieb in Hergiswil bei Willisau. Er bezieht den Strom bei der Elektra Dorf. Mit der leichten Preissteigerung auf 2024 ist er grosso modo nun auf dem gleichen Niveau wie die im gleichen Ort tätige Elektra Opfersei (+ 51 Prozent auf dieses Jahr). «Ich weiss nicht, wie wir diese Preissteigerung auf die Kundschaft abwälzen sollten», sagt er. «Zumal die Kundschaft im Lebensmittelbereich sehr preissensibel ist.» Ihm stösst sauer auf, dass «sich Produktionsbetriebe, in welchem Bereich sie auch immer tätig sein mögen, nach dem Markt ausrichten. Doch im Strommarkt wird ein Regime geduldet, das es sich erlauben kann, Tarife für drei Jahre festzulegen. Für mich funktioniert dieses Gebilde wie ein Kartell.» Anders als zum Beispiel in Deutschland kann ein kleiner Verbraucher in der Schweiz nicht einfach auf einen anderen Stromanbieter ausweichen.
Zusammensetzung des Stromtarifs
Aus folgenden Komponenten setzt sich der Stromtarif zusammen:
- Energietarif: Die Kosten für den effektiv gelieferten Strom.
- Tarif für Netznutzung: Der Preis für die Nutzung des Übertragungs- und Verteilnetzes. Darin enthalten sind die Kosten für den Bau, Betrieb und Unterhalt des Netzes sowie die Kosten für die Netzstabilität notwendigen Systemdienstleistungen.
- Öffentliche Abgabe und Winterreserve: Konzessionsabgaben an Gemeinden sowie gesetzlicher Netzzuschlag – unter anderem zur Förderung von erneuerbaren Energien. Ab 2024 werden als Folge der Energiekrise und im Auftrage des Bundes zusätzlich die Kosten der «Winterreserve» abgerechnet. Diese decken Ausgaben für Notfall-Massnahmen, um die Stromversorgung im Winter zu gewährleisten.
«Desinteresse bei der CKW»
Es sei denn, man verbrauche über 100'000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Dann kann man aus der Grundversorgung aussteigen und sich auf dem freien Markt eindecken. Aber einen Weg zurück in die Grundversorgung gibt es nicht mehr. Im Moment sind die Bedingungen auf dem freien Markt attraktiv. Aber es kommen wohl auch wieder andere Zeiten.
Der Stromverbrauch der Wiprächtiger AG liesse es zu, den Strom selber einzukaufen. «Aber bei unserer Unternehmensgrösse ergibt das keinen Sinn. Wir müssten einen Broker, der den Strommarkt permanent beobachtet, engagieren. Ob unsere Rechnung unter Berücksichtigung des finanziellen Aufwands für den Broker dann noch aufgeht, wage ich zu bezweifeln», sagt der Chef von 26 Mitarbeitenden.
Hergiswil bei Willisau gehört zu jenen Luzerner Gemeinden, die sich in grauer Vergangenheit selber um die Elektrifizierung kümmern musste. «In der Stadt witterte man das grosse Geschäft, auf dem Land hingegen erhöhte sich Aufwand und Unterhalt beträchtlich», erzählt Wiprächtiger. Also gründeten sie im Dorf am Napf die Elektra. Doch diese bezieht den Strom und den zum Teil intensiven Unterhalt von der CKW AG.
«Bei der Elektra hat man mir gesagt, dass der Strom schon heute unter dem Einkaufspreis dem Verbraucher zur Verfügung gestellt werde. Dort bestünde folglich kein Spielraum mehr.» Also wandte sich Wiprächtiger an die CKW AG. «Doch dort bin ich mit meinem Anliegen auf Desinteresse gestossen.» Dabei könnte die CKW AG seiner Ansicht nach selbst bestimmen, zu welchem Preis sie einen Teil des Stroms, den sie selber produziere, verkaufen wolle.
Die Gemeinden und der Kanton als Aktionär der CKW verdienen halt alle an einem höheren Strompreis.
Strompreis in den Luzerner Gemeinden
Gemeinde | Anbieter | Preis 2024 | Preisentwicklung |
Aesch | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Alberswil | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Altbüron | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Altishofen | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Ballwil | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Beromünster | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Buchrain | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Büron | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Buttisholz | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Dagmersellen | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Dierikon | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Doppleschwand | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Ebikon | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Egolzwil | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Eich | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Emmen | CKW AG | 28,88 Rp./kWh | + 0,3 Prozent |
Entlebuch | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Ermensee | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Eschenbach | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Escholzmatt-Marbach | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Ettiswil | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Fischbach | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Flühli | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Geuensee | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Gisikon | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Greppen | EWS AG | 35,6 Rp./kWh | - 14 Prozent |
Grossdietwil | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Grosswangen | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Hasle | CKW AG | 29,03 Rp/kWh | + 0,6 Prozent |
Hergiswil b. Willisau | Elektra Opfersei | 36,2 Rp./kWh | + 51 Prozent |
Hildisrieden | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Hitzkirch | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Hochdorf | WWZ Netze AG | 34,36 Rp./kWh | + 15,8 Prozent |
Hohenrain | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Honau | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Horw | CKW AG | 28,96 Rp./kWh | + 0,3 Prozent |
Inwil | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Knutwil | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Kriens | ewl Kabelnetz AG | 29,31 Rp./kWh | + 7,2 Prozent |
Kriens | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 7,2 Prozent |
Luthern | Elektra Luthern | 34,34 Rp./kWh | - 3,1 Prozent |
Luzern | ewl Kabelnetz AG | 29,31 Rp./kWh | + 7,5 Prozent |
Luzern | CKW AG | 29,83 Rp./kWh | + 7,5 Prozent |
Malters | Steiner Energie AG | 29,26 Rp./kWh | - 0,6 Prozent |
Mauensee | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Meggen | CKW AG | 28,98 Rp./kWh | + 0,3 Prozent |
Meierskappel | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Menznau | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Nebikon | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Neuenkirch | CKW AG | 28,88 Rp./kWh | + 0,3 Prozent |
Nottwil | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Oberkirch | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Pfaffnau | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Rain | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Reiden | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Rickenbach | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Römerswil | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Roggliswil | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Romoos | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Root | CKW AG | 28,78 Rp./kWh | - 0,3 Prozent |
Rothenburg | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Ruswil | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Schenkon | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Schlierbach | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Schötz | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Schongau | CKW AG | 29,23 Rp./kWh | + 0,3 Prozent |
Schüpfheim | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Schwarzenberg | ewl Kabelnetz AG | 29,90 Rp/kWh | + 20,52 Prozent |
Sempach | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Sursee | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Triengen | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Udligenswil | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Ufhusen | Elektra Ufhusen | 29,65 Rp./kWh | + 24,1 Prozent |
Vitznau | EWS AG | 35,6 Rp./kWh | - 14 Prozent |
Wauwil | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Weggis | EWS AG | 35,6 Rp./kWh | - 14 Prozent |
Werthenstein | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Wikon | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Willisau | CKW AG | 29,15 Rp./kWh | + 1 Prozent |
Wolhusen | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Zell | CKW AG | 29,03 Rp./kWh | + 0,6 Prozent |
Preisangabe beziehen sich auf Haushaltstyp Fünf-Zimmerwohnung mit Elektroherd und Tumbler (4'500 Kilowattstunden Durchschnittsverbrauch pro Jahr).
Quelle: Elcom
Seine Massnahmen zur Selbsthilfe
Weil der Unternehmer bei den Stromanbietern nichts erreichen konnte, hofft er nun auf Bewegung in der Politik. «Es kann doch nicht sein, dass der Bund in harten Zeiten einen Rettungsschirm aufspannt und in Zeiten mit tiefen Preisen an der Strombörse nicht auf eine Gewinndeckelung zu Gunsten der KMU und Endverbraucher setzt. Unverständlich, dass die Politik diesem Treiben nicht Einhalt gebietet.» Aber seine Zuversicht, dass die Politik in seinem Sinn und Geiste handeln werde, ist überschaubar. «Die Gemeinden und der Kanton als Aktionär der CKW AG verdienen halt alle an einem höheren Strompreis. Da verfliegt das Interesse an einem anderen Regime schnell.»
Darum hat Wiprächtiger bereits Massnahmen zur Selbsthilfe getroffen. Im letzten Herbst hat er eine Photovoltaik-Anlage in Hergiswil bei Willisau in Betrieb genommen, die «acht bis zehn Prozent des Strombedarfs unseres Fleischverarbeitungsbetriebs» liefert. Gleichzeitig hat er im Produktionsbetrieb eine Leistungsbegrenzung eingeführt, «um die Spitzenleistung zu brechen. Ist diese erreicht, schalten sich Maschinen ab». Wie sich die Massnahmen finanziell auswirkten, könne er derzeit nicht sagen, da die Zahlen fürs letzte Quartal noch ausstünden.
Seinen Ärger über den aktuellen Strompreis werden sie kaum mildern können.

Photovoltaik: Energie-Mantelerlass bringt den KMU und Haushalten steigende Netzkosten
Wer auf dem Dach mittels Solarpanels Strom erzeugt, kann die Energie, die der Eigentümer nicht zum Eigenverbrauch nutzt, nicht einfach ohne Weiteres ins öffentliche Netz einspeisen. Dazu müssen ein paar Voraussetzungen erfüllt sein: Es braucht einen dafür gerüsteten Hausanschlusskasten und eine ausreichend starke Anschlussleitung. Diese dient zur Verbindung mit dem öffentlichen Netz. Rund 15 Prozent der Photovoltaikanlagen (PV) benötigen aber noch eine zusätzliche Netz- oder Anschlussverstärkung, um die Integration des Stroms ins Netz gewährleisten zu können.
Gegen das neue Energie-Gesetz regt sich widerstand
Die Anschlussverstärkung wird notwendig, wenn die Leistung der Anschlussleitung nicht hoch genug ist. Die Kosten dafür gehen gemäss aktueller Gesetzgebung zu Lasten des Stromproduzenten. Sie bewegen sich zwischen ein paar Tausend Franken bis hin zu fünfstelligen Beträgen bei Grossanlagen.
Falls Solaranlagen an einem Ort gehäuft vorkommen oder grosse Landwirtschaftsanlagen, braucht es zudem einen Netzausbau im öffentlichen Raum, weil die vorhandene Netzinfrastruktur bereits ausgelastet ist. In einem solchen Fall muss das der Stromanbieter und somit dessen Netzkundschaft berappen.
Um die Produktion erneuerbarer Energien im Sinne der Energiewende hochzufahren, sollen die Verfahren für grössere PV-Anlagen beschleunigt und die Kosten für die Netzleitungen durch die Unternehmen und Haushalte finanziert werden. So sieht es der in der Herbstsession vom Parlament verabschiedete Energie-Mantelerlass vor. Dagegen ist aber das Referendum ergriffen worden.