«Viele Arbeitnehmende suchen zu spät Hilfe»

Die Caritas Luzern ist seit ihrer Gründung 1982 Anlaufstelle für Menschen in Not. Seit Mitte der 90er-Jahre betreibt sie zudem eine Schuldenberatung, der sich auch Mitarbeitende von KMU anvertrauen können. Laut Geschäftsleiter Daniel Furrer tun sie dies aber oft zu spät.

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Daniel Furrer, was ist die Aufgabe der Sozial- und Schuldenberatung der Caritas Luzern?

Wir beraten und unterstützen Menschen in schwierigen Situationen. Das sind zum Beispiel Alleinerziehende, Arbeitnehmende im Niedriglohn-Segment, Personen ohne fixes Einkommen und davon rund die Hälfte Männer und Frauen mit Schweizerpass. Nach einem Erstgespräch, bei dem wir den Ist-Zustand aufnehmen, versuchen wir dann gemeinsam mit diesen Menschen, Lösungswege zu erarbeiten, um letztlich ihre Lebenssituation nachhaltig zu verbessern.

Wie sieht Ihre Unterstützung konkret aus?

In vielen Fällen gewähren wir finanzielle Unterstützung in Form einer Not- oder Überbrückungshilfe. Nicht selten kommen auch Menschen direkt zu uns an den Schalter, weil sie nichts mehr zu essen haben. In solchen akuten Fällen geben wir den Betroffenen Lebensmittelgutscheine ab. Oft helfen unsere Fachleute zudem beim Erstellen eines persönlichen Haushaltsbudgets, beim Ausfüllen der Steuererklärung, beim Beantragen der Prämienverbilligung oder sie leisten Unterstützung, wenn die Menschen Schwierigkeiten mit Ämtern und Behörden haben.

Können Sie ein aktuelles Beispiel nennen?

Eine Coiffeuse musste wegen Corona ihren Salon schliessen und stand von einem Tag auf den anderen ohne Einnahmen da. Eine Zeit lang konnte sie von ihrem Ersparten leben. Doch als das Geld aufgebraucht war, wusste sie nicht mehr, wie sie Lebensmittel, Krankenkassenprämie und Miete bezahlen sollte. In ihrer Not wandte sie sich an uns. Nach einem telefonischen Beratungsgespräch konnte sie eine Überbrückungshilfe beantragen. Dafür war sie sehr dankbar. Mit dem Notbatzen hätte sie ihren Kühlschrank füllen und die wichtigsten Rechnungen bezahlen können, schrieb sie uns in einem Mail.

Mit unserer Hilfe konnte sie ihren Kühlschrank füllen und die wichtigsten Rechnungen bezahlen.
Daniel Furrer, Geschäftsleiter Caritas Luzern

Apropos Corona: Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf die Zahl der Hilfesuchenden?

Es gab deutlich mehr Menschen, die finanziell an ihre Grenzen stiessen. 2020 haben wir rund 1650 Personen unterstützt, was einer Steigerung um 34 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Noch markanter ist der Anstieg, wenn wir die ausbezahlten Beträge anschauen. Insgesamt haben wir rund 658 000 Franken an Not- und Überbrückungshilfe gesprochen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das mehr als das Dreifache. Zudem haben wir rund 52 000 Franken in Form von Lebensmittelgutscheinen und Naturalleistungen herausgegeben. Dieser Betrag wurde gegenüber 2019 mehr als verdoppelt.

Gehen Sie davon aus, dass sich diese Entwicklung 2021 fortsetzt?

Für die nahe Zukunft rechnen wir damit, dass die Nachfrage weiterhin hoch bleibt. Es wird leider noch mehr Leute geben, die ihr Erspartes aufgebraucht haben und auf Hilfe von aussen angewiesen sind. Darunter auch viele Erwerbstätige, denen es bis vor einem Jahr noch gut ging und die nun von einem sozialen Abstieg bedroht sind.

Also auch Mitarbeitende von KMU aus der Region?

Ja. Seit Ausbruch der Pandemie vor einem Jahr sind viele Arbeitnehmende von Kurzarbeit betroffen oder haben ihren Job verloren. Und vielen steht dieser einschneidende Moment noch bevor. Die finanziellen Schwierigkeiten sind in allen Fällen vorprogrammiert. Das Hauptproblem ist, dass die Leute viel zu lange warten, ehe sie Hilfe suchen.

Warum ist das so?

Die meisten versuchen es zuerst aus eigener Kraft, verschulden sich vielleicht sogar und stellen dann irgendwann fest, dass sie es nicht schaffen. Viele schämen sich auch um Hilfe zu fragen. Wenn sie rechtzeitig zu uns kämen, könnten wir präventiv wirken und mithelfen, die Abwärtsspirale frühzeitig zu stoppen.

Könnten betroffene Personen auch auf ihren Arbeitgeber zugehen?

Auf jeden Fall. Ich bin mir sicher, dass viele Arbeitgeber gerne helfen würden. In den meisten Betrieben fehlen aber das spezifische Knowhow und die zeitlichen Ressourcen für eine wirkungsvolle Unterstützung. Zudem ist vielen auch nicht bekannt, welche Unterstützungsmöglichkeiten überhaupt bestehen. Ich rate deshalb jedem Arbeitgeber, in finanziellen Nöten befindliche Mitarbeitende auf die bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten hinzuweisen. Die Caritas Luzern beispielsweise hat viele ausgewiesene Fachleute, die in diesem Bereich über ein grosses Knowhow und langjährige Erfahrung verfügen.

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