«Viele haben in der Pandemie gemerkt, dass sie sich verändern möchten»

Deborah Stoll ist Inhaberin der DST Immobilien GmbH in Baar und Präsidentin des Verbandes der Immobilienwirtschaft (SVIT) Sektion Zentralschweiz. Im Interview erklärt sie unter anderem, wieso die Pandemie den Markt für Wohneigentum noch weiter befeuert hat – während bei Büroflächen längerfristig grössere Leerstände drohen.

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Deborah Stoll, Präsidentin SVIT Zentralschweiz.

Deborah Stoll, rund zwei Jahre lang hat die Covid-Pandemie das private und berufliche Leben geprägt. Was hatte die Krise für Auswirkungen auf den Immobilienmarkt?
Deborah Stoll: Der generelle Wunsch nach Wohneigentum war in der Schweiz schon vor der Pandemie gross. Im Zuge der Krise hat sich dieses Bedürfnis aber noch weiter ausgeprägt. Unzählige Leute waren plötzlich im Homeoffice und haben dabei gemerkt, dass die Platzverhältnisse eng sind, und sie sich beim Wohnen generell etwas mehr Freiraum wünschen – auch Möglichkeiten der individuellen Gestaltung, wie es in einem Eigenheim besser machbar ist. Oder sie haben sich grundsätzliche Gedanken darüber gemacht, wo sie überhaupt zu Hause sein möchten.

Stichwort von der Stadt aufs Land. In einer aktuellen Immobilienstudie der Credit Suisse wird getitelt: «Pandemie bremst Urbanisierung». Nehmen Sie das auch so wahr?
Man hat von diesem Trend im Zuge der Pandemie immer mal wieder gehört und gelesen, ja. Ich persönlich würde dies in dieser allgemeinen Form nicht unterzeichnen. Denn es ist sehr abhängig von der Lage und trifft auf bestimmte Standorte mehr zu als auf andere. Trotzdem fragten sich viele Leute, insbesondere Paare und Familien während der Pandemie sicherlich, ob sie vielleicht nicht in eine ländlichere Umgebung ziehen möchten. Wo man generell mehr Platz für weniger Geld bekommt. Meist auch: mehr Ruhe. Insofern haben ländliche Regionen sicherlich von der Pandemie profitiert. Wie langfristig dieser Trend aber sein wird, bleibt abzuwarten.
 
Bei Büro- und Gewerbeflächen scheint der Markt im Gegensatz zu Wohnobjekten zu schwächeln – viele Firmen haben Flächen abgebaut, oder planen, dies zu tun. Ist das Homeoffice der Totengräber des klassischen Büros?
Der Markt für Büro-/Gewerbeflächen reagiert immer viel träger als der Markt für Wohnobjekte, was mit den langjährigen Miet-/Pachtverträgen bei gewerblichen Flächen zu tun hat. Die Auswirkungen der Pandemie werden sich also erst mit Verzögerung wirklich zeigen. Sicherlich ist es so, dass im Bürobereich mit dem «neu entdeckten» Modell des Homeoffice Flächen optimiert werden können. Büroflächen wird es aber immer geben, auch in Zukunft. Vorwiegend aus verschiedenen Gründen.

Die da wären?
Es gibt nicht nur Leute, die das Arbeiten im Homeoffice schätzen, sondern auch solche, die es kaum erwarten konnten, wieder ins  Büro zurückzukehren. Vielen fehlt im Homeoffice die klare Trennung zwischen Berufs- und Privatleben, sowie der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen. Die soziale Komponente ist nicht zu unterschätzen. Hinzu kommt auch, dass bestehende Flächen von den Arbeitgebern an neue Bedürfnisse angepasst werden. Grossraumbüros, generell offen gestaltete Arbeitsbereiche, sind hoch im Kurs. Um dabei aber tatsächlich genügend Raum zu haben, braucht es wiederum Platz. Hinzu kommt, dass sich die Frage nach Homeoffice, flexiblen Arbeitsplätzen und fixen Büros ja nur in administrativen Geschäftsbereichen stellt. Ein Bodenleger kann nicht von zu Hause arbeiten. Ein Logistiker oder Verkäufer auch nicht.

Experten gehen dennoch davon aus, dass im Gewerbebereich die Angebotsquote steigen wird, sprich: Dass das Angebot die Nachfrage noch weiter übersteigen wird in den kommenden Jahren.
Diese Meinung teile ich grundsätzlich. Es wird sicherlich tendenziell eher mehr Leerstände geben im Büro-/Gewerbebereich. Aber die Frage ist, in welchem Ausmass. Es ist klar, dass Flächen optimiert werden, das ist ein Kostenfaktor. Ebenso ist Fakt, dass in den vergangenen Jahren enorm viel gebaut wurde – und noch immer gebaut wird. Es wird sich zeigen, wie sich dieser Bereich entwickelt.

Gross ist die Entwicklung in der Digitalisierung der Immobilienbranche. Was halten Sie von Online-Besichtigungen, Preisschätzungen per Mausklick, etc.?
Ich glaube, dass die digitalen Angebote eine sinnvolle und durchaus auch attraktive Ergänzung sind, dass sie das klassische Geschäft aber nie ganz ablösen werden. Ob sie sich durch einen 3D-Rundgang klicken oder ein mit einem ferngesteuerten Roboterli durch die Wohnung fahren: Letztlich ersetzt nichts eine echte Besichtigung vor Ort. Selbst, wenn das Haus erst noch gebaut wird und die Kaufüberlegung sprichwörtlich auf «grüner Wiese» stattfindet, will man sich diese grüne Wiese anschauen, sprich: die Umgebung, das Licht, die Nachbarschaft... Erst wenn man wirklich vor Ort ist, fällt die Entscheidung. Hier geht es um mehr als eine rationale Überlegung. Ein Immobilienkauf ist in den meisten Fällen eine emotionale Angelegenheit.

Emotional wird politisch derzeit darüber gestritten, ob der Eigenmietwert für Wohneigentum abgeschafft werden soll. Das Geschäft ist derzeit im Parlament. Ihre Haltung dazu?
Ich persönlich wäre für eine Abschaffung, aus folgendem Hauptgrund: Das Zinsniveau ist seit vielen Jahren schon enorm tief, und der zu versteuernde «Gewinn» von Immobilienbesitzern damit unverhältnismässig hoch. Als das Vehikel der Eigenmietwertbesteuerung eingeführt wurde, war es punkto Steuerbelastung nahezu ein Nullsummenspiel. Heute – und schon seit langem – ist das nicht mehr so. Eigenheimbesitzer, gerade auch Familien, würden mit einer Abschaffung entlastet. Und diese doch sehr besondere Steuer, die es so in kaum einem anderen Land der Welt gibt, wäre vom Tisch. Aber ich verstehe, wenn man anderer Meinung ist. Als Kanton oder Gemeinde würde ich auf diese Einnahmen natürlich auch nur ungern verzichten wollen. Die Interessen gehen da halt sehr weit auseinander. Und es stellt sich einmal mehr  die Grundsatzfrage, für welche Teile der Bevölkerung welche Art von Entlastung gewünscht  ist.

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