Abdul Uryakhel, warum bist du aus Afghanistan geflohen?
Wegen der schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situation. Und weil ich nach der Schulzeit keine berufliche Perspektive mehr sah. So habe ich mit 17 Jahren beschlossen, meine Heimat Richtung Europa zu verlassen.
Was nicht ganz ungefährlich ist.
Es ist sogar sehr gefährlich. Viele Menschen, die flüchten wollten, wurden getötet. Trotzdem bin ich eines Tages ganz allein losgezogen. Zu Beginn hatte ich eine Tasche mit Kleidern, Decken und ein paar Lebensmitteln dabei, doch im Iran wurde mir alles gestohlen, auch das Handy.
Wie lange hast du für deine Reise von Afghanistan in die Schweiz gebraucht?
Ich war etwa ein halbes Jahr unterwegs. Meist zu Fuss und oft durch dichte Wälder, damit mich niemand sieht. Manchmal konnte ich auch ein Stück mit dem Zug fahren. Natürlich schwarz, da ich keinen Pass hatte. Dabei wurde ich dreimal erwischt und musste für kurze Zeit ins Gefängnis. Das war wirklich schlimm. Und mehrmals mussten wir uns Schleppern anschliessen. Diese wollen viel Geld dafür, dass sie dich über die Grenze bringen. Total hat mich die Reise etwa 8000 Euro gekostet. Meine Familie hat das für mich bezahlt, damit ich ein besseres Leben führen kann.
Wie sehr vermisst du deine Familie?
Extrem. Ein- bis zweimal pro Monat habe ich Kontakt zu ihnen, entweder via Whats App oder Telefon. Trotzdem möchte ich nicht, dass sie mir nachreisen. Überall lauern Gefahren. Die möchte ich ihnen nicht zumuten. Als ich ihnen gesagt habe, dass ich sicher in der Schweiz angekommen bin und hier eine Ausbildung machen darf, waren sie glücklich und stolz.
Wie waren deine ersten Wochen in der Schweiz?
Als ich im Dezember 2015 aus Italien in die Schweiz kam, verbrachte ich zuerst zwei Wochen in einem Camp in Chiasso, danach zwei Monate in Basel. Schliesslich kam ich ins Asylzentrum nach Rothenburg. Nachdem ich bei der Caritas-Schule in Littau erste Brocken Deutsch gelernt hatte, absolvierte ich ein Jahr im Integrations-Brückenangebot in Luzern. In dieser Zeit wurde mir klar, dass ich mal in der Autobranche arbeiten will. Bei der Auto AG Truck in Rothenburg bekam ich eine 1-wöchige Schnupperlehre. Da sie zwar sehr zufrieden waren mit meiner Arbeit, ich aber noch zu wenig gut Deutsch konnte für eine Lehre, boten sie mir ein 1-jähriges Praktikum im Rahmen von INVOL an. So arbeitete ich drei Tage pro Woche im Betrieb und zwei Tage in der Schule.
Was gefällt dir an der Autobranche?
Die Kombination von Mechanik und Elektronik. Zudem liebe ich es, technische Probleme zu erkennen und zu lösen. Am Ende meines Praktikumsjahres konnte ich schon selbständig einen kleinen Service durchführen. Vor kurzem habe ich bei der Auto AG Truck nun die 2-jährige Lehre zum Automobil-Assistenten EBA begonnen.
Wie siehst du deine Zukunft?
Ich will mich immer weiterentwickeln. Darum möchte ich nach der EBA-Lehre das EFZ als Automobil-Fachmann anhängen. Ein hohes Ziel, ich weiss. Aber ich habe gemerkt: Wenn man richtig will, kann man alles schaffen.
Neuerungen bei der Integrationsvorlehre
Der Bundesrat hat kürzlich das Pilotprogramm INVOL bis im Sommer 2024 verlängert und auf neue Zielgruppen ausgeweitet. Ab diesem Schuljahr können neben anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen auch spät zugewanderte Personen aus EU-, EFTA- und Drittstaaten aufgenommen werden. Die Zielsetzung des Angebots bleibt unverändert. Es geht darum, den aufgenommenen Personen während einem Schuljahr die notwendigen grundlegenden Kompetenzen im Hinblick auf eine berufliche Grundbildung in einem Berufsfeld zu vermitteln, damit diese nach der Integrationsvorlehre erfolgreich in eine Ausbildung starten können. Die an einer INVOL teilnehmenden Personen arbeiten an drei Tagen in einem Ausbildungsbetrieb und besuchen an zwei Tagen den Unterricht am Zentrum für Brückenangebote. Ab diesem Schuljahr ist die INVOL im Kanton Luzern in jedem Beruf möglich. Das Staatssekretariat für Migration hat einer entsprechenden Kompetenzprofilerweiterung zugestimmt.