«Wir haben es einfach verschlafen vorwärts zu machen!»

Mit Fabian Peter konnte an der Impulsveranstaltung LUZERN 23 genau der richtige Regierungsrat auf den heissen Stuhl gesetzt werden, um aktuell drängende Fragen zu Energie und Mobilität zu beantworten. Der Vorsteher des Luzerner Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartementes parierte auch provokante Fragen von Windenergie bis hin zur eigenen politischen Identität mit Argumenten – und einer guten Portion Humor.

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KGL-Direktor Gaudenz Zemp (links) lockt Regierungsrat Fabian Peter auf dem «heissen Stuhl» aus der Reserve.

Fabian Peter, bis zu Ihrer Wahl in den Regierungsrat 2019 haben Sie eine Sanitär- und Heizungsfirma mit einer überschaubaren Anzahl Mitarbeitenden geleitet. Jetzt arbeiten 6000 Leute für Sie. Haben Sie noch den Überblick oder machen die in der Verwaltung einfach was sie wollen?
Es ist natürlich das Ziel immer den Überblick zu behalten. Wie die KMU haben auch wir viele gute Mitarbeitende. Aber ab und zu muss man schon draufschauen, um zu sehen, ob alles so läuft, wie wir das wollen. Das gehört zu den Führungsaufbagen als Regierungsrat.

Im Gegensatz zu früher, ist Ihre Arbeit geprägt von Verfassung, Gesetzen, Verordnungen, Plänen und Programmen. Kann man so überhaupt noch planen und realisieren – oder nur planen und niemand hält sich dran?Es ist ein grosser Unterschied. Die unternehmerischen Freiheiten sind schon stark zurückgegangen, das ist so. Trotzdem hat man Gestaltungsspielraum. Es ist aber natürlich eine grosse Herausforderung, Anliegen durchs Parlament und allfällige Volksabstimmungen durchzubringen. Deshalb muss man möglichst viele Leute von Anfang an ins Boot holen. Das macht es entsprechend aufwändig und es dauert sehr, sehr lange bis man etwas auf den Boden bringt. Das ist die Herausforderung.

Im Januar haben Sie im Kantonsrat eine riesige Mobilitäts-Session angekündigt. ÖV-Bericht, die Mobilitätsplanung ZuMoLu, Programm Gesamtmobilität, Anti-Stau-Initiative, die Initiative zur Siedlungsverträglichkeit der Grünen – das alles soll gleichzeitig behandelt werden. Sie sind ja ein Profi, aber die Miliz-Politikerinnen und -Politiker im Kantonsrat sind damit doch komplett überfordert...?!
Es ist eine Herausforderung. Man kann jetzt natürlich sagen, der macht das geschickt, bringt alles auf einmal und das ist so komplex, dass niemand mehr den Überblick behält. Falls man es aber in Etappen bringt, kommt umgekehrt sofort der Vorwurf: Salami-Taktik! Zugegeben: Es ist eine komplexe Materie und die verschiedenen, betroffenen Politik-Bereiche zu koordinieren ist nicht leicht – auch für uns als Verwaltung nicht. Trotzdem müssen wir den Weg nun gemeinsam machen und Schritt für Schritt vorwärts gehen. Das ist wichtig.

Sie wollen die Anzahl Windräder im Kanton verzwanzigfachen. Aktuell sind es drei, seit Jahren wird versucht ein Viertes zu bauen. Jetzt kommen sie und wollen gleich 60 haben. Sie haben sehr schöne blaue Augen... Kann man also sagen, dass Sie «blauäugig» sind?
Schöne blaue Augen sind doch schon mal was (lacht). Aktuell sind wir mit der Energiemangellage an einem Punkt, an dem wir merken: «Wir haben einfach verschlafen in den letzten Jahren vorwärts zu machen!» Wir sind so abhängig vom Ausland im Energiebereich: 60 Prozent unserer End-Energien kommen aus dem Ausland – es sind vor allem Öl und Erdgas. Die Windenergie ist ein Bestandteil, den wir unbedingt brauchen. Hier müssen wir endlich möglichst hohe Planungssicherheit schaffen, diese hat bisher gefehlt. Jetzt kommen die Standorte in den Richtplan. Das gibt Sicherheit für Investoren, die bereits vorhanden sind. Mit den 22 Standorten können per Windkraft 250 Gigawattstunden Strom produziert werden. Das ist ein Viertel des Stroms den die Luzerner Haushalte brauchen! Es ist eine sehr gute Ergänzung zur Photovoltaik. Denn Windräder liefern mehr im Winter, liefern auch in der Nacht und bei schlechtem Wetter. Wir können nicht immer sagen, bei mir können wir das Problem nicht lösen, das können wir irgendwo sonst machen, wir können ja Strom importieren. Wir haben gesehen: Wenn es ernst wird, kommen Masken plötzlich nicht mehr in die Schweiz, kommt der Strom auch nicht mehr einfach so in die Schweiz. Wir müssen also Verantwortung übernehmen und Strom hier vor Ort produzieren.

In der Vernehmlassung zur Mobilitätsplanung ZuMoLU wurde diese von den Grünen explizit gelobt, der KGL forderte grundlegende Anpassungen, der TCS hat sie komplett abgelehnt. Was ist denn hier falsch gelaufen? Sie sind doch ein bürgerlicher Politiker – und kein Grüner, ...oder?
Der KGL war im Projekt dabei. Ich hatte das Gefühl, es sind alle dabei und haben entsprechend mitgemacht. Am Schluss  ist es dann halt so gekommen. Und übrigens, bezüglich Grünen und Liberalen: 1848, als alle Bundesräte Liberale waren und die Welt damit noch in Ordnung, wurde in der Präambel der Verfassung die Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen festgehalten. In dem Sinne ist es also was ganz Liberales, dass man sich Gedanken über eine nachhaltige Zukunft macht.

In Ihrem Verkehrskonzept heisst es, die Kapazitätsgrenzen der Strassen seien längst erreicht. Laut dem Bund nimmt der Bedarf an Mobilität auf den Strassen zu. 70 Prozent des ÖV in Luzern findet auf den Strassen statt. Wo nehmen Sie die Hoffnung her, den Kollaps hier verhindern zu können?
In der Praxis haben wir gesehen, dass wir Mühe haben grosse Strassenprojekte umzusetzen. Im urbanen Raum ist das kaum möglich. Rund um die Seebrücke gibt es beispielsweise immer wieder gute Ideen – Untertunnelung, Verbreiterung, etc. Denken sie jedoch, dass dies möglich ist? Wir müssen das Beste aus dem vorhandenen Platz machen. Die Hoffnung ist die Anerkennung, dass die Umsetzung schwierig ist. Vielleicht ändert sich die Politik ja einmal. Aber aktuell müssen wir mit dem arbeiten, was wir haben.

Sie sind eine ehrliche Haut. Sie leben, was Sie sagen. Deshalb fahren Sie ein Elektroauto. Haben Sie Verständnis, wenn sich jemand aber lieber das günstigere Diesel-Modell kauft?
Im Moment habe ich noch Verständnis, ja. Aber ich glaube es geht nicht mehr lang, bis sie gleich teuer sind.  In der Gesamtrechnung inklusive Service sind Elektro-Autos schon jetzt recht günstig. Nichts machen geht nicht. Jene, die können, sollen schon jetzt Verantwortung übernehmen.

Die Grünen schlagen vor, allen Kantonsangestellten sechs Wochen Ferien zu geben. Die Regierung hat sich dagegen ausgesprochen. Mögen Sie keine Ferien oder reut sie das Geld für Ihre Mitarbeitenden?
Wenn meine Mitarbeitenden mehr in die Ferien gehen, muss ich ja mehr arbeiten, Also bin ich dagegen. Das ist klar (lacht).

Das Video vom «heissen Stuhl» gibt’s hier zum Nachschauen:

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