Sven-Erik Zeidler, neu bestimmt der Kantonsrat die wichtigen Inhalte bei der Erarbeitung des Kantonalen Richtplans. Was hat das für Auswirkungen?
Das Kapitel mit den raumordnungspolitischen Zielsetzungen wird neu vom Kantonsrat erlassen. Dieser kann also in den strategischen Themen inhaltlich beliebig Einfluss nehmen und – bei Bedarf – ganze Texte «umschreiben». Wir werden deshalb in der Richtplanerarbeitung die zuständige und vorberatende Kommission RUEK sehr eng in den Prozess miteinbeziehen, um so die raumordnungspolitischen Fragestellungen frühzeitig und detailliert zu diskutieren.
Die Ansprüche vieler Anspruchsgruppen müssen im Richtplan abgebildet werden. Ich denke da an Wohnbevölkerung, Wirtschaft, Landwirtschaft, Kulturland usw. Wie bringt man das alles unter einen Hut?
Es liegt in der Natur des Richtplans, dass er eine grosse Breite von Sachthemen aufgreift und behandelt. Vielerorts wird die Stadt-Land-Divergenz besonders sorgfältig zu beachten sein, bei anderen Richtplaninhalten gilt es unterschiedliche Haltungen und Einstellungen zwischen «Schützen und Nützen» gegeneinander abzuwägen. Im Richtplanprozess sind deshalb alle Interessenvertreter eingebunden.
Das Gewerbe in einer Landgemeinde hat andere Anliegen als jenes in einer Agglomerationsgemeinde. Wie wird der Richtplan dem gerecht?
Wir werden prüfen, wie wir dem Gewerbe in den ländlichen Räumen mehr Spielraum geben können. Betriebserweiterungen verbunden mit Neueinzonungen sollen beispielsweise einfacher möglich sein. Im weiteren werden die Möglichkeiten für überkommunal abgestimmte Arbeitsplatzgebiete sondiert und es werden auch «Sonderzonen» für landwirtschaftsnahe Nutzungen in Erwägung gezogen.
Politische Vorstösse beschränken das Wachstum in Gemeinden. Bau- und Infrastrukturprojekte scheitern regelmässig an der Urne. Wie gehen Sie mit dieser Wachstumskritik um?
Mit dem RPG 1 sind die Weichen in der Raumplanung neu gestellt worden – weniger Wachstum in der Fläche, dafür vermehrt Innenentwicklungsprojekte. Zahlreiche Landschaftsschutz-Initiativen in den Kantonen haben diesen Paradigmenwechsel inzwischen bestätigt. Allerdings haben es Innenentwicklungsprojekte keineswegs leicht: Auch architektonisch gut konzipierte Verdichtungsprojekte scheitern an der Urne. Aus meiner Sicht müssen die Gemeinden solche Projekte viel intensiver kommunikativ begleiten bzw. den Bürgerinnen und Bürgern die Vorteile solcher Projekte an Informationsveranstaltungen angemessen erläutern.
Was, wenn der Richtplan Wachstum vorsieht, dies vor Ort aber nicht erwünscht ist, wie aktuell in Sursee?
Wir werden mit der Richtplan-Revision prüfen, auf welche Weise Wachstumswerte, die der Richtplan den verschiedenen Gemeindekategorien zuweist, auf umliegende Regionen gewissermassen «umverteilt» werden können.
Was sind aus Ihrer Sicht die grössten Herausforderungen für die Luzerner KMU?
Die vielfältige KMU-Landschaft sehe ich als Standortvorteil für den Wirtschaftskanton Luzern. Wir haben im Vergleich zu anderen Kantonen keine Abhängigkeiten von ganz spezifischen Fokus-Branchen. Die Luzerner KMU-Landschaft ist gut aufgestellt und wird sich nach der Corona-Krise im Markt behaupten. Persönlich wünsche ich mir von den Luzerner KMU noch etwas mehr Innovationskraft.
Der KGL will sich aktiv bei der Revision einbringen. Was erwarten Sie vom KGL beziehungsweise der Arbeitsgruppe?
Der KGL ist – wie zahlreiche andere Stakeholder und Interessengruppen – gut in den Richtplanprozess eingebunden. Ich erhoffe mir ein entsprechendes Engagement nicht nur in den KGL-Gruppenarbeiten, sondern auch in diversen Workshops, die wir ab dem nächsten Jahr anbieten beziehungsweise durchführen werden.
Sind Durchgangsbahnhof und Bypass ebenfalls im Richtplan abgebildet?
Ja. Die beiden Projekte werden stufengerecht im Richtplan erwähnt beziehungsweise raumwirksam verankert. Die massgebenden Planungsinstrumente sind hier jedoch die entsprechenden Sachpläne des Bundes.
Der Richtplan hat einen Planungshorizont von 15 Jahren. Wo steht der Kanton Luzern 2035 aus Ihrer Sicht?
Ich bin für den Wohn- und Wirtschaftskanton Luzern sehr optimistisch. In unserem Kanton wird man auch im Jahr 2035 gerne wohnen, arbeiten und Ferien machen. Persönlich wünsche ich mir von den politischen Entscheidungsträgern wieder etwas mehr Mut, unseren Kanton aktiv mitzugestalten. Zurzeit wird meiner Meinung nach zu viel «bewahrt» und zu wenig «entwickelt».