Martin Schlegel, planen Sie für das 100-Jahr-Jubiläum ein grosses Fest?
Ja, aufgrund von Corona haben wir die Feierlichkeiten allerdings auf nächstes Jahr verschoben. Am 25. Juni 2022 organisieren wir einen Mitglieder-Event auf der Rigi. Und im September wird es einen Anlass für unsere Jungen und die Junggebliebenen geben.
Wie hat sich die Elektrobranche in den letzten Jahrzehnten entwickelt?
Früher waren Installation und Preiskalkulation enorm aufwändig. Zudem war es schwierig, überhaupt eine Konzession zu bekommen. Bei der Gründung unserer Elektro Waser AG im Jahr 1965 war die Kalkulation noch reine Handarbeit. Und wenn es kleine Anpassungen gab, musste man das Ganze komplett neu durchrechnen. Auch die Technik hat sich stark weiterentwickelt, wobei wir in den letzten 10 Jahren aufgrund der Digitalisierung noch einmal einen Quantensprung erlebt haben.
Viele Branchen beklagen einen akuten Fachkräftemangel. Wie stark ist die Elektrobranche betroffen?
Auch wir bekunden Mühe, unsere Lehrstellen mit geeigneten Jugendlichen zu besetzen. Hatte eine mittelgrosse Firma früher für eine Lehrstelle 30-40 Bewerber, sind es heute noch 5-10. Das bedeutet auch, dass die Bewerbungen in Bezug auf die Qualität nicht immer unseren Anforderungen entsprechen.
Was raten Sie einem Jugendlichen, der den Traumberuf Elektroinstallateur hat, aber nicht die nötigen Voraussetzungen mitbringt?
Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir verwandte Berufe anbieten können. Wer zum Beispiel den schulischen Anforderungen für eine 4-jährige Lehre als Elektroinstallateur/in EFZ nicht gewachsen ist, hat die Möglichkeit, mit einer 3-jährigen Lehre als Montage-Elektriker/in EFZ zu starten. Anschliessend kann er oder sie immer noch die Lehre zum Elektroinstallateur in verkürzter Form anhängen. Dank der Durchlässigkeit unseres Berufsbildungssystems kann sich heute praktisch jeder seinen Berufswunsch erfüllen.
Seit diesem Sommer hat die Elektrobranche einen neuen Lehrberuf. Was war der Grund für die Lancierung des Berufs Gebäudeinformatiker?
Als wir feststellten, dass die Anforderungen an die Berufsleute immer stärker in Richtung Informatik gehen, haben wir Nägel mit Köpfen gemacht und zusammen mit dem Berufsverband ICT Schweiz das neue Berufsbild entwickelt. Der Beruf «Gebäudeinformatiker/in EFZ» ist sozusagen eine Weiterentwicklung des Telematikers.
Wie war die Nachfrage beim ersten Jahrgang?
Diesen Sommer starteten schweizweit 47 junge Menschen in die Lehre. Ich gehe davon aus, dass diese Zahl noch steigen wird, sobald die ersten positiven Erfahrungen vorliegen. Tatsache ist aber auch, dass es für die Unternehmen immer schwieriger wird, Lernende in allen erforderlichen Bereichen eines Berufs auszubilden. Deshalb empfehle ich das Ausbilden in einem Lehrbetriebsverbund. Das heisst, dass sich mehrere Betriebe die Ausbildung eines Jugendlichen aufteilen. Somit lässt sich verhindern, dass Betriebe interessierte Jugendliche abweisen müssen. Wir müssen es schaffen, wieder mehr Jugendliche für unsere Berufe zu begeistern. Wenn möglich auch viele junge Frauen.
Warum?
Weil wir dadurch die Zahl der Bewerbungen erhöhen können und damit automatisch eine bessere Auswahl hätten. Zudem bin ich überzeugt, dass Frauen die Kunden in gewissen Belangen besser beraten können. Ein Beispiel: Frauen sehen in der Regel sofort, welche Steckdosenabdeckung in der Küche zur braunen Marmorplatte passt. Zudem sind sie auch im technischen Bereich nicht weniger talentiert als ihre männlichen Kollegen. Sie denken es höchstens. Keine Frage: Frauen würden unserer Branche gut tun.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für Ihren Verband?
Einerseits beim technologischen Fortschritt, andererseits bei den Mitarbeitenden in unseren Unternehmen, die an vorderster Front tagtäglich Höchstleistungen erbringen. Sie müssen bereit sein, die aktuellen und künftigen Herausforderungen mit Begeisterung anzupacken und im Team umzusetzen. Diese Herausforderungen bergen nämlich auch Chancen. So hat unsere Branche als führender Vertreter der Gebäudetechnik das Privileg, bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050 Verantwortung zu übernehmen. Das wollen wir tun, indem wir die verschiedenen Systeme so zusammenzuführen, dass sie einwandfrei miteinander kommunizieren. Ziel muss es sein, dass Technik und Komfort letztlich optimal aufeinander abgestimmt sind.