2022 – ein Jahr des Umbaus für die Immobilienbranche

Während Pandemie und Homeoffice die Nachfrage im Wohnungs- und Hausmarkt zuvor vernachlässigte Regionen belebt, hat sie bei Büro- und Verkaufsflächen grosse Unsicherheit ausgelöst. In beiden Bereichen führt die Entwicklung zu vermehrten Investitionen zur Aufwertung bestehender Immobilien – vor allem auch bezüglich Energieeffizienz.

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Die Corona-Pandemie hat viele unserer Lebensbereiche betroffen und wird einige davon nachhaltig verändern. Gleich nach der Hauptsorge um die eigene Gesundheit und jene der Mitmenschen, kreisen die Spekulationen um das Thema, wie und wo wir in Zukunft – mit oder trotz Covid-19 – wohnen und arbeiten werden. Der Katalysator dieser Entwicklung ist klar das Homeoffice, welches phasenweise während der Pandemie von den Behörden sogar zur Pflicht ernannt wurde.
Obwohl diese inzwischen wieder aufgehoben ist, kehren zahlreiche Unternehmen nicht in die alte Normalität zurück und Homeoffice bleibt für viele ein normaler Bestandteil des Alltags. Und wird es laut einigen Prognosen wohl auch bleiben.

Entkoppelung von den Zentren
Als potenzielle Gewinner der Homeoffice-Entwicklung könnten Gemeinden ausserhalb der Zentren dastehen. Entfällt das Pendeln auch nur teilweise, vergrössert sich das mögliche Einzugsgebiet für die Wohnungen der Arbeitnehmenden.
Zusätzlich steigt auch je nach Wohnsituation der Bedarf an zusätzlichen (Büro-)Zimmern zu Hause. In ihrer Analyse «Outlook Schweiz» hat die UBS aufgezeigt, welche Gebiete dadurch – und natürlich das Anbieten von mehr Wohnraum für kleinere Preise – attraktiver werden. Neben dem Churer Rheintal, der Region um den Bodensee und dem Unterwallis sind auch Gebiete aus der Zentralschweiz genannt: Flühli im Kanton Luzern, Emmetten in Nidwalden und die Gemeinden Attinghausen, Seedorf, Schattdorf und Spiringen im Kanton Uri.
Auch an Orten, die eher als Feriendestinationen bekannt sind, wird die Nachfrage wohl steigen. Wer es sich leisten kann, wird wahrscheinlich auch die Option von der Ferienwohnung aus zu arbeiten, wahrnehmen wollen. In einigen Bergregionen sind die Preise seit 2020 so stark gestiegen, wie seit dem Jahr 2012 nicht mehr.

Grossteil würde gern zur Hälfte zu Hause arbeiten
Es stellt sich heraus, dass die Corona-Pandemie den zuvor bereits bestehenden Trend zum Homeoffice nochmals verstärkt hat. Bereits in den Jahren vor Covid-19 ist der Anteil der Personen gestiegen, die mindestens einen halben Tag pro Woche im Homeoffice gearbeitetet haben. Dies jährlich um zirka einen Prozentpunkt – von 18 Prozent im Jahr 2013 auf 24 Prozent im Jahr 2018. Durch die Pandemie verdoppelte sich diese Zahl auf etwa die Hälfte. Dies zeigen die Resultate einer repräsentative Umfrage des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Deloitte.  
Die Online-Umfrage unter 2000 in der Schweiz wohnhaften Personen zwischen 16 und 64 Jahren zeigt, dass sich knapp die Hälfte (47 Prozent) der Erwerbstätigen im Homeoffice produktiver als im Büro fühlt. Dafür schätzt umgekehrt nur etwa jede sechste Person (16 Prozent) die eigene Produktivität in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers höher als zu Hause ein. Doch die Arbeit daheim bringt auch Nachteile mit sich. Fast die Hälfte (44 Prozent) der Teilnehmenden gibt an, dass der auf einmal wegfallende persönliche Austausch bei der Arbeit eine der grössten Herausforderungen für die Beschäftigten im Home-Office darstellt. Dafür sorgen die neuen «Kollegen» im Homeoffice für Reibungen: 28 Prozent der Befragten klagen über zu häufige Ablenkungen – etwa durch Partner, Kinder oder andere Mitbewohner.
Alle diese Faktoren führen dazu, dass 37 Prozent der Befragten angeben – wenn sie die freie Wahl hätten – mindestens die Hälfte der eigenen Arbeitszeit im Homeoffice verbringen zu wollen. Jede vierte Person (26 Prozent) wünscht sich sogar vollständig zu Hause zu arbeiten. Vollzeit zurück ins Büro möchte nur rund ein Achtel der Befragten (12 Prozent). Speziell bei dieser Entwicklung ist, dass die Beliebtheit des Homeoffice bei den einzelnen Arbeitnehmenden  davon abzuhängen scheint, wie lange sie schon
zu Hause arbeiten.  Eine repräsentative Umfrage des Schweizerischen Verbands der Immobilienwirtschaft SVIT zeigt, dass der Anteil der Beschäftigten, die Homeoffice grundsätzlich ablehnen, unter jenen am höchsten ist, welche keine Erfahrungen mit dem Arbeiten zu Hause gemacht haben (23 Prozent). Bei jenen die bereits über 6 Monate im Homeoffice sind, gibt es kaum Befragte, welche diese Meinung teilen.

Bürobesuch – Seltener, aber dafür umso wichtiger
Doch das klassische Büro an sich scheint trotzdem weit davon entfernt zur Vergangenheit zu gehören. Die UBS sieht in ihrer Analyse voraus, dass Lage und Art des Büros eher noch wichtiger werden können. Falls Mitarbeitende länger pendeln, wird die Nachfrage nach gut erreichbaren Büros in Zentren grösser – was zu noch mehr leeren Büroflächen in der Peripherie führen würde. Ebenfalls wird das Modell Grossraumbüro weniger wichtig: Das Büro wird vermehrt zum Treff- und Austauschpunkt mit Stehtischen und Lounges statt einer Ansammlung von Schreibtischen. Dies zeigt auch, dass eine simple Reduktion der Bürofläche nicht immer einfach umzusetzen ist. Der Platz, der durch weniger Schreibtische eingespart werden kann, wird für neue, flächenintensive Bürokonzepte benötigt.
Zudem braucht es Koordinationsaufwand, falls nicht für alle Mitarbeitenden bei Vollbelegung ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ausserdem werden manche den Komfort von mehr Abstand im Büro auch nach der Pandemiezeit beibehalten wollen. «Wenn ich nicht mehr ins Büro kommen muss, dann muss das Büro so attraktiv sein, dass ich hingehen will», fasst es Stephan Leimbach von Europas grösstem Immobilien-Dienstleister Jones Lang Lasalle unlängst im Interview mit dem «Manager Magazin» zusammen.
Kurzfristig haben sich auf dem Büroflächenmarkt 2021 keine radikalen Änderungen gezeigt.  Weder auf dem Transaktions- noch dem Mietmarkt machte sich die Pandemie negativ bemerkbar, wie der «UBS Outlook Schweiz» heisst. An Spitzenlagen zeigen sich dafür vereinzelt sogar Preisanstiege von über 10 Prozent.

Verkaufsflächenmarkt weiterhin unter Druck
Auf dem Verkaufsflächenmarkt haben pandemiebedingte Entwicklungen den Online-Handel weiter angeheizt. Mitarbeitende im Homeoffice kommen weniger an den Geschäften in Zentren vorbei und bestellen wohl auch mehr Waren übers Netz. Gut 14 Prozent der Umsätze sind 2021 im Internet generiert worden – fast doppelt so viel wie 2016. Währenddessen stagniert der Handelsumsatz beim stationären Handel im Non-Food-Bereich seit 2015. Die Nachfrage nach stationären Flächen dürfte in den nächsten Jahren voraussichtlich eher sinken.
In Innenstädten werden bisherige Verkaufsräumlichkeiten bereits teilweise zu Büroflächen umgebaut oder an Anbieter von Dienstleistungen, etwa im Gesundheitsbereich, vermietet. Doch der Handel wird Dienstleistungen nicht komplett weichen. Hochfrequentierte Lagen bleiben begehrt. Die Integration von digitalen und stationären Kanälen transformiert traditionellere Verkaufsflächen zu Showrooms mit Service-Punkten für Abholung und Rückgabe.

In der Zwischenzeit lohnt sich oft eine  Sanierung
Die Unklarheit über viele dieser Entwicklungen lässt Themen wie Sanierung, Umbau und Umnutzung wichtiger werden. Dies einerseits für die Immobilie als Renditeobjekt im Portfolio, andererseits, um mit den energetischen Rahmenbedingungen Schritt zu halten. «Mit der nachhaltigen Sanierung von Wohngebäuden lässt sich eine solide Rendite erwirtschaften», sagt Matthias Holzhey, Head Swiss Real Estate des Chief Investment Office von UBS Global Wealth Management.
Weitere Entwicklungen wie steigende Energiepreise, neue Gesetze und Subventionen sowie eine allgemein wachsende Nachfrage nach «grünem» Wohnraum bestärken den Entscheid zur Sanierung.
Doch auch im Geschäftsflächenmarkt wird, zusätzlich zur Lage, die Gebäudequalität immer wichtiger. Unabhängig davon, ob im Kampf um Mieter oder wegen möglichen Veränderungen der Büronutzung, welche das Homeoffice mit sich bringt. Ausserdem werden ältere Gebäude in logischer Konsequenz genauer auf ihr Umnutzungspotenzial für Wohn-, Büro oder Logistikflächen geprüft.

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