«Die Haftungspflicht würde an KMU weitergegeben»

Am 29. November kommt die Unternehmensverantwortungsinitiative vors Volk. Die Befürworter behaupten, sie betreffe nur die multinationalen Konzerne. KGL-Direktor Gaudenz Zemp beurteilt den Initiativtext ganz anders. Er sieht grosse Risiken für KMU.

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Gaudenz Zemp, die Initianten der Unternehmensverantwortungsinitiative beteuern, dass sich die geforderten Neuregelungen ausschliesslich auf die grossen Konzerne beziehen. Weshalb sind Sie als Vertreter der Luzerner KMU dennoch gegen die Initiative?

Weil diese Aussage der Initianten komplett falsch ist.

Aber im Text steht doch «bei der Regelung der Sorgfaltsprüfungspflicht nimmt der Gesetzgeber Rücksicht auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen, die geringe derartige Risiken aufweisen».

Genau, bei der Sorgfaltsprüfungspflicht kann der Gesetzgeber KMU erleichtern. Die Haftung ist aber explizit nicht ausgeschlossen. Zudem kommen KMU notgedrungen auch bezüglich der Sorgfaltsprüfungspflicht unmittelbar unter Druck. Nur läuft das indirekt.

Inwiefern?

Neu haften alle Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz direkt und ohne Verschulden für das Verhalten von allen in irgendeiner Form kontrollierten Unternehmen sowie indirekt – da sie vor Gericht ihre Unschuld beweisen müssen – für ihre gesamte Wertschöpfungskette. Und zwar im In- und Ausland. Darum wird jedes Unternehmen gezwungen, seine eigenen Auflagen an Zulieferer vertraglich weiterzugeben und durchzusetzen. Und wer für andere haftet, sichert sich ab. Es entsteht automatisch ein Domino-Effekt innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette, der sehr viele KMU treffen würde. Verlierer sind die Unternehmen mit der kleinsten Rechtsabteilung oder dem geringsten Rechtsbudget. Und das sind sicherlich nicht die Grosskonzerne.

Was hätte die Annahme der Initiative für praktische Folgen für die KMU?

Die grossen Unternehmen brauchen künftig «gläserne Zulieferer» und werden entsprechende Forderungen stellen: Einsicht in die Buchhaltung, in Verträge und in Sicherheitskonzepte sowie unangekündigte Inspektionen.

Aber sie haben ja gar kein Recht zu einer solchen Einsicht in die Bücher.

Indirekt schon, denn sie haften für alle durch sie «kontrollierten Unternehmen». Das heisst: Wenn sie einen Zulieferer haben, der einen grossen Teil seines Umsatzes mit ihnen macht, haften sie für diesen, weil sie eine wirtschaftliche Macht ausüben können. Und in dieser Situation befinden sich sehr viele KMU.

Wie hoch beurteilen Sie das Risiko, dass es künftig zu Klagen kommt?

Diese weltweit einzigartige verschuldensunabhängige Haftung mit Beweislastumkehr macht Klagen gegen Unter-nehmen in der Schweiz natürlich extrem attraktiv. Das erhöht das Risiko unberechtigter, erpresserischer Klagen von ausländischen Klageanwälten oder von Konkurrenten oder auch von Staaten, die Druck gegen Unternehmen in der Schweiz aufbauen möchten. Wir sind das reichste Land der Welt, da wittern viele ausländische Anwälte einen lukrativen Prozess.

Aber die Beweislastumkehr streiten die Befürworter ab.

Die Haftung für Dritte gilt so lange, wie es dem Unternehmen nicht gelingt, seine umfassende Sorgfalt in der gan-zen Wertschöpfungskette nachzuweisen. Neu sind es also nicht mehr die Kläger, die eine Schuld beweisen müs-sen, sondern die Unternehmen, die ihre Unschuld beweisen müssen. Den Schaden wie auch den direkten Zusammenhang mit dem Unternehmen müssen weiterhin die Kläger beweisen. Dies ist aber in den meisten Fällen ohne Probleme möglich.

Wie sieht denn Ihre Lösung aus, um Menschenrechte und die Umwelt zu schützen?

Die Initiative ablehnen, damit der Gegenvorschlag in Kraft tritt. Er verhindert schmutzige Geschäfte von Konzernen, ohne dass die KMU-Wirtschaft in Geiselhaft genommen wird.

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