Mehr Flexibilisierung im neuen Aktienrecht

Nach langjährigen Diskussionen verabschiedete das Parlament im Juni 2020 die Aktienrechtsrevision. Die gesetzlichen Anpassungen, die voraussichtlich ab 1. Januar 2022 in Kraft treten, haben einige Vereinfachungen und Flexibilisierungen zur Folge.

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Unter geltendem Recht ist die Zulässigkeit von Interimsdividenden, also Dividenden, die aus dem Ergebnis des aktuellen Geschäftsjahres entnommen werden, umstritten. Im neuen Aktienrecht, das voraussichtlich am 1. Januar 2022 in Kraft treten wird, sind Ausschüttungen von Gewinnen während des laufenden Geschäftsjahres zulässig, sofern die Voraussetzungen zur Dividendenausschüttung erfüllt sind, die Statuten dies vorsehen und ein durch die Revisionsstelle geprüfter Zwischenabschluss vorliegt. Eine Prüfung entfällt bei Gesellschaften ohne Revisionsstelle oder wenn alle Aktionäre der Ausschüttung zustimmen und die Forderungen der Gläubiger dadurch nicht gefährdet werden.

 

Neue Regeln für Reserven

Die Reserven werden neu analog dem Rechnungslegungsrecht in gesetzliche Kapitalreserven, gesetzliche Gewinnreserven und freiwillige Gewinnreserven eingeteilt. Weiter dürfen neu auch Kapitalreserven an die Aktionäre zurückbezahlt werden, wenn die gesetzlichen Kapital- und Gewinnreserven – abzüglich eines allfälligen Verlustvortrages – 50 Prozent (bei Holdinggesellschaften 20 Prozent) des eingetragenen Aktienkapitals übersteigen.

Flexibilität bei der GV

In Bezug auf die Generalversammlung macht der Gesetzgeber einen grossen Schritt in Richtung Digitalisierung. In Zukunft können Generalversammlungen sowohl auf schriftlichem als auch auf elektronischem Weg durchgeführt werden. So weit dies in den Statuten so vorgesehen ist, kann die Generalversammlung künftig rein virtuell – also ohne physischen Versammlungsort – stattfinden.

 

Finanzielle Notlagen

Von besonderer Bedeutung sind die neuen Bestimmungen betreffend Unternehmenssanierungen. Neu hat der Verwaltungsrat bereits bei drohender Illiquidität Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit zu treffen und der Generalversammlung allenfalls weitere Sanierungsmassnahmen zu beantragen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die notwendigen Schritte früh genug in die Wege geleitet werden. Bei hälftigem Kapitalverlust muss der Verwaltungsrat neu nicht mehr zwingend eine Sanierungsgeneralversammlung einberufen. In Zukunft ist er nur dazu verpflichtet, Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlustes zu ergreifen. Eine Gesellschaft ohne Revisionsstelle hat dafür die letzte Jahresrechnung einer eingeschränkten Revision durch einen zugelassenen Revisor zu unterziehen. 

 

Massnahmen bei Überschuldung

Bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung ist wie bisher grundsätzlich ein Zwischenabschluss zu Fortführungs- und Veräusserungswerten zu erstellen und prüfen zu lassen. Wenn die Annahme der Fortführung nicht besteht, genügt der Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten. Besteht hingegen die Annahme der Fortführung und zeigt der entsprechende Zwischenabschluss keine Überschuldung, kann auf den Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten verzichtet werden. Der Verwaltungsrat erhält mitunter mehr Zeit zur Sanierung. Auf die Benachrichtigung des Gerichts kann neu explizit verzichtet werden, solange begründete Aussicht besteht, dass die Überschuldung spätestens 90 Tage nach Vorliegen der geprüften Zwischenabschlüsse behoben werden kann und die Gläubigerforderungen nicht zusätzlich gefährdet werden. Bisher ging die Praxis von einer Frist von 60 Tagen aus, wobei eine gesetzliche Regelung fehlte.

 

Handlungsbedarf für Firmen

Die Änderungen machen für bestehende Unternehmen grundsätzlich keine Statutenrevision notwendig. Dennoch sollte man sich überlegen, ob und wie man von den neu geschaffenen Möglichkeiten und Vereinfachungen profitieren möchte. Im Vordergrund steht die Option der elektronischen Versammlung oder die Ausschüttung von Interimsdividenden. Zudem ist für den Verwaltungsrat wichtig zu wissen, dass er bei Sanierungen vermehrt in die Pflicht genommen und neu auch bei Liquiditätsproblemen zum Handeln verpflichtet wird. Es ist deshalb empfehlenswert, entsprechende Angelegenheiten frühzeitig mit dem Treuhänder oder der Revisionsstelle zu besprechen.

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